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Die Herzen aller Mädchen

Titel: Die Herzen aller Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Geier
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es da ein Wunder, dass Gregor im selben Ton antwortete, und zwar Sachen wie: »Jeder liebt seine Mutter, Herr Kommissar«? So ging es durchs ganze Haus: Kennen Sie sich mit Sprengstoff aus, Herr Doktor? Besitzen Sie Schusswaffen? Haben Sie eigentlich gedient, aha, und wo? Gehen Sie auf Reservistentreffen? Ach? Haben Sie was gegen Uniformen? Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Haben Sie Feinde?
    Sie standen nun in der Küche, die war schmutzig von dem Rettungseinsatz, sämtliche Schläuche und Geräte waren hier durchgetragen worden, denn sie besaß eine Tür zum Garten.
    »Nein, ich habe keine Feinde«, sagte Gregor ungeduldig. Und wenn doch, du blöder Bulle, setzte er innerlich hinzu, hast du auf diese bescheuerte Frage je eine andere Antwort bekommen?
    Der blöde Bulle betrachtete Gregor milde. Kommissar Comtesse war blondhaarig und feist und jung, einer, der in seiner Freizeit boxte oder bungeejumpte oder Frauen verprügelte oder alles drei zusammen. »Denken Sie mal nach«, sagte er.
    »Ein Mann wie Sie, Herr Doktor«, ergänzte Kommissar Buch, der älter und schmächtiger war, aber ebenso gewalttätig aussah, »mit einem interessanten, erfolgreichen Leben, der kann nicht überall lieb Kind sein. Das wär ja langweilig.«
    »Viel Feind, viel Ehr«, setzte Comtesse lässig hinzu.
    »Wenn überhaupt«, erwiderte ihnen Gregor, »sollte es hier um die Feinde meiner Mutter gehen.«
    Comtesse und Buch tauschten bedeutungsvolle Blicke. »Sagen Sie mal, Herr Doktor«, sagte Buch dann, nahm einen Apfel aus dem Obstkorb, der auf der Anrichte stand, rieb ihn an seiner Jacke ab und biss hinein, »waf wollen Fie denn fo vom Leben?« Er schluckte. »Was ist Ihr Ziel? Geld? Frauen? Dieses Haus?«
    Gregor starrte den Bullen an. Der Typ wusste mit Sicherheit, wie hoch das alte Gemäuer belastet war. Allein dass er glaubte, Gregor wolle wegen dieses Kastens seine Mutter töten, war eine Frechheit. »Sie haben sie ja nicht mehr alle«, sagte er.
    Und das wurde alles ins Protokoll aufgenommen.
     
    * * *
    Lisa träumte. Der Geruch des Meeres drang in ihre Nase, Salz bedeckte ihr Gesicht. Das war angenehm, würziges Seesalz, sie hatte gebadet und ließ es auf sich trocknen, es prickelte und spannte leicht, überall auf dem Körper. Ganz plötzlich aber begann es zu brennen, es brannte entsetzlich, das Salz sengte und ätzte, und sie schnappte nach Luft und atmete glühendes Salz und das tat schrecklich weh, das tat so weh! Lisa wollte sich wegdrehen, doch die Glut saß auf ihr und fraß sie. Es wurde schwarz.
    * * *
     
    Im Büro richtete sich soeben Nessa Kaiser, die Neue, an Willenbachers Schreibtisch ein. Seinem ehemaligen Schreibtisch, korrigierte sich Bettina im Stillen.
    »Ich hab mal den genommen«, sagte Kaiser und klopfte auf den Tisch, er stand ein bisschen ungünstiger als Bettinas, näher an der Tür, und seine Besitzerin hatte keine so schöne Wand im Rücken. Eigentlich hätte Nessa Kaiser der andere Platz zugestanden. Und das, sah man, war ihr wohl bewusst, doch sie wollte nicht gleich offensiv Rechte einfordern. Dafür schien sie zu erwarten, dass Bettina den Tisch, den sie sowieso bald räumen musste, von sich aus anbot. Doch da konnte sie lange warten.
    »Gut«, sagte Bettina, ließ sich in ihren Stuhl fallen und sah zu, wie Kaiser ihren Karton weiter auspackte: Schreibtischunterlage, verschiedene kriminalistische Lehrbücher, eine Pflanze.
    »Sie arbeiten halbtags?«, fragte Kaiser, deren Hände, wie Bettina bemerkte, ein wenig zitterten.
    »Ja.« Bettina sah auf die Uhr. Halb zwölf, bis zwei musste sie hier noch aushalten.
    »Das ist ungewöhnlich«, sagte Kaiser. »In unserem Beruf.« Ihre Stimme war klar und ruhig, beherrscht. Sie hatte ein ovales, mädchenhaftes Gesicht, und sie trug die Haare lang, wie Bettina, dazu Männerklamotten, doch irgendwie wirkte sie gestylt. Ihr Outfit sah aus wie das Ergebnis langer Planung, obwohl es Bettinas Aufmachung glich, und die zog morgens bloß das Oberste aus dem Schrank.
    »Ich hab Kinder«, sagte Bettina und dachte an Hübner, den sie anrufen musste.
    »Oh«, machte Kaiser und hob ihre Pflanze aufs Fensterbrett. Ein Drachenbaum. Sie drehte ihn ein wenig im Sonnenlicht. Dann betrachtete sie Bettinas schattige Fensterbank, wo drei Pappschachteln mit Stiften und diverser Bürokram gammelten. »Er verträgt keine Sonne«, sagte sie nachdenklich.
    »Wie schade«, sagte Bettina und wandte sich dem Stapel Umlaufmappen zu, der vor ihr lag, ein dicker Stapel, das war

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