Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
steinernen Gefäßen, effektvoll zwischen Grünpflanzen platziert, wuchsen Rosenbüsche mit üppigen weißen Blüten. Gardenien schwammen in den Brunnenbecken. Von der sanften Junibrise bewegt, flatterten Girlanden aus weißen Bändern durch die Luft. Alles war perfekt – genauso, wie sie es arrangiert hatte.
Nun musterte sie den Bräutigam. Cal Theroux erwartete sie unter dem schneeweißen Baldachin, der sich über dem größten Brunnen wölbte. Wegen seiner gediegenen äußeren Erscheinung erinnerte er sie an die Männer in der Zeitschriftenwerbung für teuren Scotch. Zweiundvierzig Jahre alt, gehörte er zu den einflussreichsten Managern im Faulconer-Konzern. Trotz des Altersunterschieds von siebzehn Jahren galten Susannah und Cal als ideales Paar, und sie
hatten tatsächlich viel gemeinsam. Beide waren im Luxus aufgewachsen – sie in San Francisco, er in Philadelphia –, hatten exklusive Privatschulen besucht und sich in den besten Gesellschaftskreisen bewegt. Natürlich war Cal nicht mit sieben Jahren gekidnappt worden. Aber dieses Schicksal hatten nur wenige Menschen erlitten.
Immer enger schienen sich die fünf Perlenreihen um Susannahs Hals zu schließen. Aus der Ferne klang das Geräusch eines Rasenmähers heran. Sie stellte sich vor, wie erbost ihr Vater reagieren würde, wenn er herausfand, dass der Gärtner des benachbarten Anwesens diese besondere Stunde an einem Samstagnachmittag ausgesucht hatte, um den Rasen zu mähen. Zweifellos würde er ihr vorwerfen, dass sie die Nachbarn nicht über den Zeitpunkt der Trauung informiert hatte.
Als sie den Altar erreichte, berührte Cal ihren Arm. »Wie zauberhaft du aussiehst ...«, flüsterte er, und ein Lächeln vertiefte die sonnengebräunten Fältchen in seinen Augenwinkeln.
Der Priester räusperte sich. »Nun, meine Lieben ...«
Sicher war es richtig, Cal zu heiraten. Das wusste Susannah, denn sie tat stets genau das Richtige. Er liebte sie, hatte sich als reif, rücksichtsvoll und charakterstark erwiesen, und er würde einen untadeligen Ehemann abgeben. Aber das Unbehagen, das sie schon seit einer ganzen Weile quälte, verflog nicht.
»Wer vertraut die Braut dem Bräutigam an?«
»Ich.« Väterlicher Stolz milderte Joel Faulconers harte, markante Züge, als er Susannahs Hand von seinem auf Cals Arm legte. Dann trat er zurück, und sie hörte, wie er sich in die zweite Stuhlreihe setzte.
Allmählich surrte der Rasenmäher immer lauter.
Die Brautjungfer übernahm den Brautstrauß, und Susannah griff sich diskret an die Kehle. Verstohlen schob sie ihren
Zeigefinger unter das Bennett-Erbstück und zog es von ihrer Haut weg.
Davon bemerkte Cal nichts. Konzentriert hörte er dem Priester zu. »Ich, Calvin James Theroux, nehme dich, Susannah Bennett Faulconer ...«
Jetzt dröhnte der Rasenmäher so laut, dass es auch den anderen Anwesenden auffiel. Cals Nasenflügel bebten, als würde ihn ein unangenehmer Geruch stören. Reglos stand Susannah neben ihm und schaute geradeaus, von wachsender innerer Unrast erfüllt.
Und dann erkannte sie, dass der Lärm gar nicht von einem Rasenmäher verursacht wurde.
Sie holte tief Atem. Aus ihren Wangen wich alles Blut. Inzwischen sprach der Geistliche mit ihr. Doch sie achtete nicht mehr auf seine Worte. Der Krach näherte sich, brauste am Haus vorbei und steuerte den Garten an. Irritiert drehte sich Cal um, der Priester verstummte, und Susannah spürte, wie sie unter ihren Brüsten zu schwitzen begann.
Plötzlich geschah es – die festliche Idylle des Faulconer-Gartens wurde vom ohrenbetäubenden, vulgären Rattern einer großen, schwarzen Harley-Davidson mit Zwillingsmotor verscheucht, die ins Blickfeld raste.
Die Maschine überquerte den gepflegten Rasen. Beinahe streifte sie eine Andromeda-Statue. Der Schrei des Fahrers übertönte den Motorenlärm – ein wilder Urschrei.
» Suzie !«
Mühsam schluckte sie, wandte sich vom Altar ab und starrte den ungebetenen Gast an. In ihrem Hals pochte ein viel zu heftiger Puls.
Ihr Vater sprang auf und warf seinen Stuhl um. Fürsorglich umfasste Cal ihr Handgelenk. Das Motorrad stoppte abrupt am anderen Ende des Teppichs, über den sie vorhin gegangen war, und das Vorderrad beschmutzte den weißen Rand.
Nein, dachte sie, das geschieht nicht wirklich. Es ist ein Albtraum. Einfach nur ein weiterer Albtraum ...
» Suzie !«
Er trug eine schwarze Lederjacke und Blue Jeans, die seine Schenkel eng umspannten, während er rittlings auf der Harley-Davidson saß.
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