Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
hörte sie, wie sich die Männerstimme näherte. Laut. Und zornig. Angstvoll zuckte sie zurück und fiel zwischen die Pelze, tote Nerze und Biber
hüllten sie ein. Als der Fuchskopf gegen ihre Stirn prallte, stieß sie einen Schrei aus.
Die Tür flog auf. Das merkte sie nicht. Von panischer Angst überwältigt, begann sie zu schluchzen.
»Großer Gott!«
Die ärgerliche Männerstimme dröhnte in ihren Ohren. Zitternd versank sie noch tiefer in der stickigen Masse der Pelze, suchte intuitiv bekanntes Grauen, statt sich einem unbekannten auszuliefern.
»Großer Gott!«, wiederholte der Fremde. »Das ist ja barbarisch!«
Wimmernd starrte sie ins bösartige Fuchsgesicht.
»Komm her, meine Süße.« Jetzt nahm die Stimme einen sanften Klang an. »Komm zu mir!«
Ganz langsam drehte sie sich um und blinzelte ins Licht. Zu der freundlichen Stimme gewandt, sah sie Joel Faulconer zum ersten Mal. Hoch gewachsen und goldblond, mit breiten Schultern.
Wie ein hübscher Prinz aus ihrem Märchenbuch lächelte er sie an und streckte seine Hand aus. »Komm nur, Schätzchen, ich werde dir nicht wehtun. Und ich werde auch niemand anderem erlauben, dich zu quälen.«
Sie wollte sich bewegen. Doch sie konnte es nicht, denn ihre Füße hatten sich in den nassen Bettlaken verfangen, und der Fuchskopf schlug gegen ihre Wange.
Da griff der Mann nach ihr. Instinktiv zuckte sie zusammen und schob sich noch weiter zwischen die Pelze zurück. »Schon gut«, beteuerte er und zog sie aus dem Schrank. »Alles in Ordnung, mein Schatz.«
Und dann hob er sie auf seine starken Arme und drückte sie an seine Brust. Sie erwartete, er würde sie loslassen, sobald er das nasse Nachthemd spürte und den beißenden Geruch wahrnahm. Das geschah nicht. Ganz im Gegenteil, er presste sie noch fester an sein elegantes Jackett, trug sie
in ihr Schlafzimmer und half ihr, sich anzukleiden. Und er führte sie für immer aus dem Penthouse an der Park Avenue.
»Diese dumme Kuh«, murmelte er. Erst viel später sollte sie erkennen, dass er nicht ihre Großmutter meinte.
Joel Faulconer war nicht sentimental. Und nichts hatte ihn auf die tiefen Gefühle vorbereitet, die ihn erfassten, als er Susannah zwischen den alten, von Motten zerfressenen Pelzmänteln seiner Schwiegermutter kauern sah. Sechs Stunden später saß sie festgegurtet neben ihm im Flugzeug, er schaute sie an, und sein Herz krampfte sich zusammen. In ihrem kleinen schmalen Gesicht wirkten die grauen Augen übergroß, und das Haar war in so stramme Zöpfe geflochten, dass sich die Haut über der zarten Stirn spannte und zu platzen drohte.
Unverwandt starrte sie vor sich hin. Seit er sie aus dem Schrank befreit hatte, war kaum ein Wort über ihre Lippen gekommen. Joel nippte an dem Bourbon, den er bei der Stewardess bestellt hatte, und versuchte, sich nicht vorzustellen, was mit Susannah geschehen wäre, hätte er an diesem Morgen nicht einem plötzlichen Impuls nachgegeben und seine Schwiegermutter besucht. Weil Kay ihre Mutter nicht mochte, hatte er die Frau nur ein paar Mal bei gesellschaftlichen Veranstaltungen getroffen und zu kurz mit ihr gesprochen, um ihre Geisteskrankheit zu erkennen. Aber Kay hätte es wissen müssen.
Während er an seine Frau dachte, verspürte er das vertraute Gemisch aus Unbehagen und Erregung, das sie stets in ihm weckte. Erst einige Monate nach der Hochzeit hatte sie ihm die Existenz ihrer Tochter verraten – ungefähr um die gleiche Zeit, als er sich zum ersten Mal gefragt hatte, ob es klug gewesen war, sie zu heiraten. Kay versicherte, in der Obhut ihrer Mutter sei das Kind besser aufgehoben. Dabei
ließ er es bewenden, weil er sich nicht mit dem Kind eines anderen Mannes belasten wollte.
Wann immer sie nach New York flog, besuchte sie Susannah, und er nahm an, Mrs. Bennett würde ihre Enkelin gut betreuen. Als seine eigene Tochter zur Welt gekommen war, hatte er das andere Kind beinahe vergessen.
Nun schwenkte er den Bourbon in seinem Glas umher und starrte aus dem Fenster. Was für eine Frau konnte ihr eigenes Fleisch und Blut ignorieren? Nur eine Frau wie Kay – zu dumm und oberflächlich, um zu registrieren, was jedem halbwegs vernünftigen Menschen sofort auffallen würde ... Natürlich hätte er sich viel früher um Susannah kümmern müssen.
Bedrückt wandte er sich wieder zu dem kleinen Mädchen an seiner Seite. Die Hände im Schoß gefaltet, saß Susannah kerzengerade da. Ihr Kopf begann hin und her zu schwanken, und er vermutete, die
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