Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
in einen Albtraum voller Leben. Hässliche schwarze Nerze streiften Susannahs blasse Wangen, eklige geschorene Biberfelle rieben sich an ihren dünnen Armen. Am unheimlichsten fand sie die Fuchsstola mit dem echten Kopf, der die gespenstische Schließe bildete. Sogar im Dunkeln spürte sie den Blick der schlauen Glasaugen des Tiers. Stocksteif vor Entsetzen kauerte sie am Holzboden, den Rücken an die Schranktür gepresst, und erwartete, die scharfen Fuchszähne würden sie jeden Moment auffressen.
Für ein so kleines Kind verlief das Leben in düsteren, beängstigenden Bahnen. Mit fünf Jahren hatte Susannah die weltfremden Gepflogenheiten eines älteren Menschen entwickelt. Kein einziges Mal erhob sie ihre Stimme, lachte nur selten und weinte nie. Um der gruseligen Pelzhölle zu entrinnen, tat sie alles, was in ihrer begrenzten Macht stand. Sie bemühte sich so eifrig, brav zu sein, dass sie wahrscheinlich gewisse Erfolge erzielt hätte. Doch eines Nachts, im Tiefschlaf, ließ sie ihr eigener Körper schmählich im Stich.
Sie begann ins Bett zu machen.
Wann es passieren würde, wusste sie niemals im Voraus. Manchmal verging ein ganzer Monat ohne peinliche Zwischenfälle. Und dann erwachte sie eines Morgens und lag wieder in ihrem Urin. Großmutter Bennetts papierdünne Nasenflügel bebten angewidert, wann immer die Enkelin nach solchen Nächten zu ihr gebracht wurde. Nicht einmal Susannahs unmanierliche Mutter Katherine hatte sich jemals so abscheulich benommen.
Susannah versuchte ihr nasses Bettzeug zu verstecken. Aber es waren zu viele Laken, und die Dienstboten kamen ihr unweigerlich auf die Schliche.
Wenn das geschah, las ihr die Großmutter mit scharfer Stimme die Leviten, und Susannah musste während der Gefangenschaft im Schrank ihr schmutziges Nachthemd tragen. Der beißende Gestank ihres Urins mischte sich mit dem Kampfergeruch, den die alten Pelze verströmten, bis sie kaum noch atmen konnte. In ihrer Verzweiflung glaubte sie, spitze Zähne auf ihren Armen zu spüren, einen kraftvollen Kiefer, der ihr die zarten Knochen brach. Weil sie ihren Rücken so fest gegen die Schrankwand drückte, entstanden an ihrer Wirbelsäule Blutergüsse, wie eine Perlenkette in verschiedenen Farben.
Nacht für Nacht bekämpfte sie den Schlaf. Sie las Bücher aus der Bibliothek ihrer Großmutter und kniff sich in die Beine, um wach zu bleiben.
Aber sie war erst fünf Jahre alt, und schließlich schwanden ihr trotz aller Mühe die Sinne. Prompt kroch das Monster zur Tür herein und grub die scharfen Zähne in ihr Fleisch, bis sich ihre kleine Blase entleerte.
Jeden Morgen erwachte sie voller Angst, wagte sich kaum zu bewegen, Gerüche wahrzunehmen, das Laken zu berühren. Sobald sie feststellte, dass es trocken war, empfand sie eine fast Schwindel erregende Freude. An solchen
Tagen wirkte alles heller und freundlicher – der Ausblick auf die Park Avenue durch die Fenster an der Vorderfront des Hauses, der glänzende rote Apfel, den sie zum Frühstück aß, das komisch verzerrte Spiegelbild ihres ernsten kleinen Gesichts in der silbernen Kaffeekanne ihrer Großmutter.
Wenn das Bettzeug nass war, wünschte sie inständig, sie wäre alt genug, um zu sterben.
Und dann, ein paar Tage nach ihrem sechsten Geburtstag, änderte sich die Welt. Sie saß am Boden des Schranks, der Geruch des Urins brannte in ihrer Nase, kalte Furcht schnürte ihr die Kehle zu. An ihren Schienbeinen klebte das nasse Nachthemd, und ihre Füße steckten im schmutzigen Bettzeug, das sie auf den Befehl ihrer Großmutter mitgenommen hatte. Die Augen zusammengekniffen, starrte sie in der Finsternis die Stelle an, wo – das wusste sie ganz genau – der grässliche Fuchskopf hing.
Darauf konzentrierte sie sich so intensiv, dass sie die Geräusche nicht hörte. Nur allmählich drang das Gezeter der Großmutter in ihr Bewusstsein, dann eine tiefere männliche Stimme, die ihr fremd war.
Sie kannte so wenige Männer. »Kleine Miss« nannte sie der Pförtner des Apartmenthauses. Aber diese Stimme gehörte nicht ihm. Da gab es noch den Mann, der den Wasserhahn über dem Waschbecken im Badezimmer reparierte, wenn er tropfte, den Doktor, von dem sie letztes Jahr eine Injektion bekommen hatte. Wenn sie spazieren ging, sah sie Männer auf der Straße. Doch sie war keines dieser süßen kleinen Püppchen, die Grübchen in den Wangen hatten und die Aufmerksamkeit der Erwachsenen erregten. Nur ganz selten sprach jemand mit ihr.
Durch die dicke Schranktür
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