Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
und warf sie um. Fluchend knipste er das Licht an. Schmutziges Blumenwasser hatte seine Papiere getränkt – und die Kekse auf dem Porzellanteller neben der Vase.
Jeden Abend brachte Paige einen Snack in sein Schlafzimmer, wie ein Kind, das einen Köder für den Weihnachtsmann bereitlegte. Diese kleinen Happen rührte er nie an, weil es ihm widerstrebte, so kurz vor dem Einschlafen noch etwas zu essen. Doch davon ließ sie sich nicht beirren.
Während er die ekelig nassen Kekse betrachtete, fragte er sich, warum er sein eigenes Fleisch und Blut nicht so liebte
wie die Adoptivtochter. Doch weil ihn gefühlsbetonte Selbstanalysen regelmäßig unbehaglich stimmten, stand er auf und trat an ein Fenster. Nur Fakten zählten. Und er akzeptierte die schlichte, unbestreitbare Tatsache, dass Susannah schon vor langer Zeit der wichtigste Mensch in seinem Leben geworden war. Deshalb musste er sie zurückholen.
Hätte ich bloß ihren letzten Telefonanruf entgegengenommen, warf er sich vor und starrte unglücklich in die Nacht hinaus. Inzwischen würde sie erkannt haben, welch einen furchtbaren Fehler sie begangen hatte. Und er hätte ihr die Gelegenheit geben müssen, ihn um Verzeihung zu bitten.
Seine Hand umklammerte das Fensterbrett. Stets war er ein Mann der Tat gewesen, und es passte nicht zu seinem Charakter, die Kontrolle über wichtige Ereignisse zu verlieren. Am nächsten Tag wollte er Susannah aufsuchen und ihr klar machen, wie abscheulich sie sich benommen hatte. Nachdem er ihr ein paar Bedingungen gestellt hatte, würde sie klein beigeben. Und letzten Endes würde er ihr die Heimkehr nach Falcon Hill gestatten.
Zum ersten Mal nach dem Nachmittag ihrer Hochzeit erhellte sich das Dunkel in seiner Seele ein wenig. Langsam wanderte er von einem Fenster zum anderen und malte sich die Begegnung aus. Gewiss, sie würde weinen. Doch er durfte ihr nicht erlauben, seine Gefühle zu manipulieren. Nach allem, was sie ihm zugemutet hatte, wollte er ihr es nicht zu leicht machen und sie mit aller Strenge behandeln – aber nicht unnachgiebig. Schließlich würde sie ihm danken, weil er so viel Verständnis zeigte. Und in ein paar Jahren würden sie vielleicht gemeinsam über diese Krise lächeln.
Endlich wieder Herr seiner selbst, ging er zum Bett zurück. Als sein Kopf ins Kissen sank, seufzte er zufrieden. Auf diesen ganzen Unsinn hatte er viel zu emotional reagiert.
Am nächsten Tag würde er seine Tochter nach Hause holen. Und alles wäre wieder in Ordnung.
Der Nachmittag war ungewöhnlich heiß für Nordkalifornien, und Susannah hatte die Garagentür geöffnet. Nur gelegentlich wehte ein Brise herein. Obwohl sie ihr kürzeres Haar mit einem roten Gummiband zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, war ihr Nacken feucht. Sie blickte von der Leiterplatte auf, die sie gerade bestückte, und musterte Sam. Damit sein Schweiß nicht auf die Apparate tropfte, hatte er ein Tuch um seine Stirn geschlungen. Sekundenlang blieb ihr Blick an den Muskeln hängen, die sich unter seinem T-Shirt abzeichneten.
»Verdammt -hoffentlich hält Pinky sein Wort«, sagte er unvermittelt. »Solche Typen habe ich schon oft getroffen – echte Hardware-Freaks, hartnäckig von den neuesten Geräten verführt, die ihnen angeboten werden. Mittlerweile müssten die meisten Homebrew-Jungs seinen Laden entdeckt haben. Und ich wette, ein paar versuchen ihm ihre Single-Board-Computer zu verkaufen. Wenn wir ihm unsere Apparate nicht möglichst schnell liefern, wird er sich vielleicht für andere entscheiden. Und wir stehen im Regen.«
Susannah rieb ihren schmerzenden Rücken. Viel zu lange hatte sie sich über den Bestückungstisch gebeugt. »Wir haben schon genug reale Probleme. Also sollten wir keine weiteren erfinden.« Sie streckte sich und versuchte die Verspannungen zu lockern. »Immerhin haben wir einen Vertrag – und die anderen nicht.« Die Muskeln unter dem T-Shirt, die sie eben noch bewundert hatte, erstarrten unnatürlich. Langsam legte sie ihr Löteisen beiseite. »Sam?« Als er schwieg, begannen Alarmglocken in ihrem Gehirn zu schrillen. »Du hast doch einen Vertrag mit dem Mann?«
Ohne ihre Frage zu beachten, beschäftigte er sich übereifrig
mit dem Computer, den er schon eine Zeit lang laufen ließ, um ihn zu testen.
»Sam?«
Kampflustig wandte er sich zu ihr. »Daran habe ich nicht gedacht, okay? Ich war zu aufgeregt. Deshalb habe ich’s vergessen.«
Susannah nahm ihre Lesebrille ab und strich über ihre Schläfen.
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