Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
sie erst nach einigen Sekunden, dass Sam reglos neben ihr saß. Verwundert starrte sie sein versteinertes Gesicht an. »Was ist los?«
Hastig faltete er die Zeitschrift zusammen und steckte sie unter seinen Arm. »Wir müssen von Bord gehen.«
»Was?«
»Komm!«
»Sam ...««
»Schnell, gleich schließen sie die Tür.«
Erschrocken über sein merkwürdiges Verhalten, stand sie auf, und er schob sie sofort vor sich her. »Was hast du vor? Wohin gehen wir?«
Ungeduldig drängte er sie an einer Stewardess vorbei. »Beeil dich!«
Susannah spähte über ihre Schulter und sah Yank immer noch auf seinem Platz sitzen, sichtlich verwirrt blinzelte er hinter seinen Brillengläser. »Und Yank?«
»Um den wird sich schon irgendwer kümmern.«
Wenige Minuten später stand sie auf dem Flugsteig, während ihr spärliches Gepäck nach San Francisco transportiert wurde. Und drei Stunden später flog sie mit Sam nach Boston auf der Suche nach einem gewissen Mitchell Blaine.
Der Mann bewohnte ein luxuriöses Tudor-Gebäude in Weston, einem der vornehmsten Vororte von Boston. Zwischen Ahornzweigen schien die Nachmittagssonne und spiegelte sich glänzend in den Efeuranken, die an den Hausmauern emporkletterten. Als Susannah mit Sam dem antiken Steinplattenweg zur Tür folgte, hoffte sie inständig, der Besitzer würde gerade Urlaub in Alaska machen. Was Sam vermutlich kaum zurückhalten würde. Kurz entschlossen würde er dann halt zwei Tickets für den nächsten Flug nach Fairbanks kaufen.
Auf dem Flug nach Boston hatte sie den Artikel im Wall Street Journal gelesen, der Sam dermaßen faszinierte, und sich möglichst gründlich über Mitchell Blaine informiert. Er gehörte zu den Wunderkindern der Route 128, des High-Tech-Gebiets, das rings um Boston entstanden war und das Gegenstück zum kalifornischen Silicon Valley bildete. Im
Mittelwesten geboren, hatte er einen Bakkalaureus in Elektrotechnik an der Ohio State University, einen Magister am Massachusetts Institute of Technology und in Harvard den Titel eines Betriebswirts erworben.
Dank seiner Fähigkeit, technisches Know-how mit erstklassigem Marketing zu verbinden, war er zum Multimillionär geworden. Während der späten sechziger und frühen siebziger Jahre hatte er in mehreren dynamischen jungen Bostoner High-Tech-Firmen Karriere gemacht und gleichzeitig deren frühe Aktien gekauft, um den Grundstein für seinen Reichtum zu legen. 1976 betrug sein Reingewinn angeblich fast fünf Millionen – unbedeutend im Vergleich mit den weltweit größten Vermögen, aber eine respektable Summe für einen Mann, der im Alter von sieben Jahren Waise geworden war. Wirtschaftsanalytiker hatten ihn als einen der brillanten jungen Experten bezeichnet, die den Kurs der High-Tech-Industrie in den achtziger Jahren bestimmen würden.
Und dann, vor vier Tagen, hatte seine steile Karriere ein jähes Ende gefunden. In einer knapp formulierten Presseerklärung, die in der gesamten Branche für helle Aufregung sorgte, hatte er seinen Rückzug aus der Geschäftswelt bekannt gegeben.
In dem Artikel wurden keine Gründe für seinen Entschluss genannt. Doch davon ließ sich Sam nicht beirren, und er stellte sofort seine eigene Theorie auf. »Der Mann langweilt sich, Suzie. Weil er erst einunddreißig ist, wünscht er sich eine Herausforderung, und die wird er bei SysVal kriegen.«
So sehr sie sich auch bemühte – sie fand in dem Artikel nichts, was Sams Auffassung bestätigen würde. Der Bericht schilderte Blaines Werdegang, verriet aber nichts über seine Persönlichkeit.
Auf dem Weg zu den Eingangsstufen des Hauses hielt sie
Sams Arm fest. »O Gott, so geht das nicht. Wir hätten uns telefonisch anmelden sollen ...«
»... und ihm eine Gelegenheit geben, uns abzuwimmeln? Kommt gar nicht in Frage! Außerdem – glaubst du, wir können einfach die Auskunft anrufen, und die verraten uns Mitchell Blaines Privatnummer? Es ist dir schon schwer genug gefallen, rauszufinden, wo er wohnt.«
Susannah wollte sich gar nicht daran erinnern, wie verlegen sie gewesen war, als sie einen der Bostoner FBT-Manager um halb sieben Uhr morgens aus dem Schlaf gerissen hatte – mit der ungeheuerlichen Lüge, sie brauche Blaines Adresse für die gesellschaftliche Terminplanung ihres Vaters. »Wir dürfen nicht einfach vor seiner Tür auftauchen«, beharrte sie. »So etwas tut man nicht.«
Unerschütterlich drückte Sam auf den Klingelknopf. »Falls du fürchtest, man wird dich aus dem Nachschlagewerk
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