Die Herzensdiebin
Verwirrung. »Er ist doch einer von uns.«
»Wenn du dich mit Mördern und Erpressern auf eine Stufe stellen willst, Mutter, dann nur zu. Aber dieser Kerl hier ist nicht so gebrechlich, wie er tut.« Devlin riss Osgood die Brille von der Nase und schaute durch die Gläser. »Was ist mit dem Haar? Haben Sie da Schuhcreme benutzt?«
»Nichts Gewöhnliches.« Osgood schaute Devlin in die Augen, furchtlos und leicht verächtlich. »Wollen Sie mir das Genick brechen? Denn langsam wird es recht unangenehm in dieser Position.«
Devlin ließ den Mann abrupt los. »Nein, ich werde Sie nicht töten.« Er ging zum Alarmknopf und drückte ihn.
Osgood rieb sich den Hals. Dann hielt er sich auffällig lange die Hand vor den Mund, räusperte sich und murmelte etwas, das wie »Feigling« klang.
Zwei Security Guards erschienen in der Bibliothek.
»Führen Sie Mr. Hopkins ab.« Devlin zögerte, da er daran denken musste, was Gabriel über seine Leute gesagt hatte. Laut Gabriel hatte dieser Hopkins einen langen Arm und verfügte über weitreichende Verbindungen in der Unterwelt. »Wir brauchen mehr Leute.« Er nahm den Hörer vom Haustelefon und rief Gabriel direkt an. Rasch hatte er ihn über den jüngsten Vorfall aufgeklärt. Als er auflegte, sagte er: »Gabe wird die Polizei und das FBI benachrichtigen.«
»Glauben Sie, dass das ausreicht, um mich festzusetzen?«
Mr. Hopkins verhöhnte ihn, aber der alte Knabe sah etwas blass um die Nase aus. Ein dünner Schweißfilm lag auf seiner Stirn.
Gut. So sicher fühlte er sich demnach nicht.
»Osgood. Was, zum Teufel, ist los mit Ihnen?«, fuhr der alte Bradley ihn an. »Sie benehmen sich höchst ... eigenartig.«
Osgood bedachte Mr. Benjamin mit einem kühlen Blick. »Tatsächlich?«
»Und Ihre Stimme ist fremd.« Der alte Benjamin musterte Osgoods Gesicht, trat einen Schritt näher heran. »Mein Gott, wer sind Sie?«
» Was sind Sie, sollten Sie besser fragen.« Devlin schaute zur Treppe. Er wollte Meadow folgen. Wollte vor ihr auf die Knie sinken und ihr erklären, dass sie nicht das Abbild von dem alten Bradley und Isabelle sein würden. Sie würden sie selbst sein, Devlin und Meadow — einander für immer in Liebe zugetan.
Aber er wollte Osgood nicht aus den Augen lassen, bis jemand käme, dem er vollkommen vertraute.
»Mr. Osgood, fühlen Sie sich nicht gut?«, fragte Grace erschrocken.
Osgood zupfte an seiner Fliege herum. »Nicht besonders ... gut.« Der Schweiß schimmerte in seinem Gesicht, und als er sich mühsam seines Jacketts entledigte, sah man Schweißränder unter den Achselhöhlen.
Grace ging zu ihm.
Doch Devlin hielt sie am Arm zurück. »Nein. Halte dich von ihm fern. Er ist gefährlich.«
»Könnte ich mich bitte setzen?«, fragte Osgood mit matter Stimme.
Einer der Sicherheitsbeamten eilte zu ihm, doch ehe er Osgood einen Stuhl zurechtrücken konnte, geriet der alte Mann ins Taumeln, griff hinter sich ins Leere und stürzte zu Boden. Er fasste sich an die Brust.
»Herzanfall«, kam es heiser vom alten Benjamin, der sich unbewusst an die eigene Brust fasste.
»Das glaube ich ihm nicht«, meinte Devlin. Der alte Knabe täuschte den Anfall nur vor.
»Ehrlich, Devlin. Sieh ihn dir doch an!«, rief Grace.
Osgood lief blau im Gesicht an und rang nach Luft.
Also täuschte er das doch nicht vor? Aber dieser Anfall kam für ihn doch wie gerufen. »Fühlen Sie sich auch nicht gut, Mr. Benjamin?«, fragte Devlin. »Mutter, bringst du Mr. Benjamin einen Stuhl?«
Grace führte den alten Mann vorsichtig zurück zu dem Ledersessel, blieb neben ihm stehen und tätschelte die Hand des Alten, bis er ihr die Hand ruckartig entzog.
»Ich rufe einen Krankenwagen.« Einer der Sicherheitsleute hastete zum Telefon.
Der andere junge Mann legte seinen Mantel ab. »Ich habe eine Sanitäterausbildung.«
Da kam Gabriel herein, verschaffte sich einen Überblick über die Situation und sagte, zu Devlin gewandt: »Was ist passiert?«
»Ich vermute, er hat etwas eingenommen. Er hat sich vorhin die Hand vor den Mund gehalten und sich dann so komisch geräuspert.« Devlin sah, dass Osgood krampfhaft nach Luft rang.
Die Hände in die Seiten gestemmt, meinte Gabriel mit einem Nicken: »Gut möglich. Beeindruckend, dass er lieber sterben möchte, als abgeführt zu werden.«
»Der Krankenwagen ist schon unterwegs«, sagte knapp der Security Guard. »Bis dahin bleibt jeder, wo er ist.«
»Du siehst, dass der Notfallplan des Hotels greift, Devlin«, sagte Gabriel. »Falls
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