Die Herzensdiebin
Weil er Hunger hatte. Auch auf Meadow.
Er wollte, dass sie ihn mit demselben sinnlichen Vergnügen ansah, das sie bei dem Verzehr der hausgemachten Brombeermarmelade verspürte.
Warum hatte er sie vergangene Nacht nicht der Polizei übergeben? Wenn es ihm nur darum ging, Bradley Benjamin zu demütigen, hätte er ebenso gut verkünden können, dass er Isabelles Enkelin auf frischer Tat bei einem Einbruch erwischt hatte. Der Skandal, der nicht lange auf sich warten lassen würde, wäre ihm süße Rache gewesen.
Aber als Meadow am Abend mit diesen großen blauen Augen zu ihm aufschaute und vorgab, ihr Gedächtnis verloren zu haben, war sie sich sicher gewesen, die »Sie-kommen-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte« gezogen zu haben. Ihm war nicht entgangen, dass sie sich im Stillen für ihren Schachzug gratulierte, und ein Teil seines Wesens — ein bislang unbekannter Charakterzug — hatte die Herausforderung angenommen und erklärt, dass Meadow seine Frau sei.
Seine Frau. Warum war er bei allen Geschichten, die ihm hätten einfallen können, ausgerechnet auf diese Variante gekommen?
»Die kalte Quiche ist köstlich.« Jordans Gabel blitzte auf. »Traditionell. Mit Schinken, Eiern, Sahne, Schweizer Käse und Christians Teig.«
Sie hielt eine Hand hoch. »Ich bin Vegetarierin.«
Devlin könnte vorgeben, dass ihm niemand beim Auftischen von unerhörten Lügengeschichten gewachsen war. Aber er erlag keiner Selbsttäuschung.
Kaum hatte er Meadow in seinen Armen gehalten, ihren Duft eingesogen und ihre weich fallende, kupferfarbene Lockenpracht gesehen, hatte er das Gefühl, als sei ein kräftiger, frischer Wind in ein Leben gefahren, das fade und trist geworden war.
Und als sie damit drohte, sich übergeben zu müssen, hatte er laut lachen wollen.
Seit Jahren hatte er nicht mehr aus vollem Hals gelacht. Vielleicht noch nie.
»Natürlich sind Sie Vegetarierin. Sie sind dünn.« Jordan verspeiste das Stück Quiche selbst.
»Ich wünschte, ich wäre es.«
»Sie sieht toll aus«, schaltete sich Devlin ein.
Jordan und Meadow warfen ihm gleichzeitig einen erschrockenen Blick zu. Hatten sie etwa vergessen, dass er neben ihnen stand? Oder machte er so selten Komplimente?
»Natürlich sieht sie toll aus. Sie ist nur ein bisschen zu dünn.« Jordan wandte sich wieder Meadow zu. »Veganer?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich esse nur kein Fleisch.«
»Gut! Das ist leichter. Und es schmeckt auch besser. Alles zu Ihrem Vorteil! « Jordan kniff Meadow in die Wange. »Etwas Eistee? Heute haben wir Ingwer-Pfirsich. Schmeckt toll!«
»Ja, das probiere ich.«
Devlin hätte nie gedacht, dass sich eine gegenseitige Bewunderung zwischen seinem Küchenchef und seiner ... zwischen seinem Küchenchef und Meadow entwickeln würde. Außerdem begriff er eines nicht: Die ganze Zeit über war Jordan wie die anderen Angestellten gewesen — mürrisch, hart arbeitend und fest entschlossen, die Gelegenheit zu nutzen, ein Hotelrestaurant von Format zu leiten. Jetzt lächelte der Mann aus New Orleans, warf mit Komplimenten um sich und flirtete mit Devlins Frau.
Und die beiden anderen Küchengehilfen ... auch sie lächelten!
Was, zum Teufel, ging hier vor? Was für eine Wirkung übte Meadow auf Menschen aus? Warum schenkte sie dieses strahlende Lächeln nicht ihm?
Klar, er log sie an, und sie log ihm etwas vor, und ihnen beiden war bewusst, dass sie sich in ein verflixtes Spiel verstrickt hatten. Aber sie hatten bereits in einem Bett geschlafen. Sie hatten sich in einer Weise geküsst, die einen Mann nicht mehr losließ.
Und trotzdem hatte sie nicht ein Mal dieses offene, warme Lächeln für ihn übrig?
Jordan ging wieder zum Brotfach. Sein Küchenmesser sauste durch die Luft, und ehe Meadow etwas erwidern konnte, hielt sie einen Teller mit goldenem Backwerk, kleinen Schälchen mit ungesalzener Butter und Marmelade sowie einer Serviette mit Silberring in der Hand. In der anderen Hand hielt sie ein Glas mit kühlem Eistee.
»Danke « Sie gab Jordan einen Kuss auf die Wange. »Ich sorge dafür, dass wir zum Abendessen hier sind!«
»Wir werden immer zum Dinner hier sein.« Devlin wusste, dass Sam den Küchenchef längst darüber informiert hatte, denn Sam tat immer seine Pflicht.
Jordan ging nicht weiter auf Devlins Worte ein. »Prima! Ich werde etwas besonders Exquisites an Ihrem ersten Abend in Ihrem neuen Hotel zubereiten.«
»Sie war schon letzte Nacht hier.« Sie hatte ihm eine dämliche Geschichte von Amnesie aufgetischt
Weitere Kostenlose Bücher