Die Herzensdiebin
nicht?« Wie immer machte er auch jetzt nicht den Eindruck, als würde es ihn wirklich interessieren; es war eben nur eine höfliche Floskel.
»Ja. Ich meine, nein .« Mit einer zurückhaltenden Geste deutete sie auf die Treppe. »Ich habe mich eben von Grace Fitzwilliam in der Bibliothek verabschiedet.«
»Ah, verstehe.« Sam nickte, als begreife er die Tragweite der Begegnung.
»Ist sie immer so? Denn sie scheint hier die einzige Person zu sein, die in der Lage ist, Devlin zu maßregeln.« Meadow lächelte, um anzudeuten, dass sie es nicht böse meinte.
Auch diesmal erwiderte Sam das Lächeln nicht. »Es ist unschwer zu erkennen, von wem Mr. Fitzwilliam seinen starken Charakter hat.«
»So kann man es auch sehen! Werde ich mir merken.« Sie schaute sich um. »Ist Devlin im Büro?«
»Ich denke, ja. Als er die Bibliothek verließ, ging er jedenfalls in Richtung Büro.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Ich habe die Monitore immer im Blick.«
»Ich dachte, die Monitore sind im Büro.«
»Wir haben hier auf jeder Etage Bildschirme — wenn man weiß, wo man nach ihnen suchen muss. Jeder Winkel des Hotels wird ständig überwacht.« Es klang so, als wolle er sie mit diesen Worten warnen.
»Außer den Zimmern.«
»Außer den Zimmern«, pflichtete er ihr bei. »Waren Sie gerade auf dem Weg zum Büro?«, fragte er.
»Nein, ich denke, ich streife noch ein wenig durchs Hotel.« Mit ironischem Unterton fügte sie hinzu: »Es ist wirklich ein Kunstwerk, finden Sie nicht?«
»Es ist recht nett.« Sam sah ihr nach, als sie den Gang hinunterging, und rief dann: »Mrs. Fitzwilliam, geben Sie Acht, wo Sie hingehen. Das Hotel ist nicht so sicher, wie man vielleicht glaubt.«
Sie drehte sich um und blickte ihn fragend an.
Sam hielt dem Blick stand, seine Augen waren unergründlich.
Eine düstere Vorahnung bemächtigte sich ihrer. »Wollen Sie ... mir drohen?«
»Nein, Sie warnen.« Er schritt davon.
Sie schaute sich um. Was machte der Kerl eigentlich in diesem Korridor? Devlins Suite befand sich in diesem Stock. Auch ihre Suite. Die Zimmer, die sie gemeinsam bewohnten.
Und dort stand die Tür offen. War er etwa in ihren Zimmern gewesen, um etwas zu suchen?
Sie betrat den Wohnraum. Ihr fiel nichts Ungewöhnliches auf.
Sam war ein sonderbarer Typ. Scheinbar hatte er keine Freunde. Er wollte nicht über sich sprechen, äußerte beunruhigende Dinge in ihrer Gegenwart. Vielleicht war er wirklich ein Serienkiller. Sollte sie diese Befürchtung Devlin gegenüber äußern?
Was würde er wohl darauf erwidern? Kennst du eigentlich deinen Sekretär? Du vertraust ihm doch, oder? Er sagt feindselige Dinge zu mir, und wenn er mich ansieht, habe ich das Gefühl, dass er mich nicht ausstehen kann.
Sie betrat das Schlafzimmer. Auch hier war alles so, wie sie es verlassen hatte. Devlins Hosen und Hemden hingen neben den Strandkleidern im Schrank. In einer Schublade lag seine Unterwäsche neben ihren Slips. Er hatte ausreichend Kleidung bestellt — Kleidung, die zu jedem Anlass passte —, damit er sie über Wochen hier festhalten konnte.
Vielleicht sollte sie aufhören, sich Gedanken über Sam zu machen, und sich lieber auf Devlin konzentrieren. Kleidung, die einen Monat reichte? Warum wollte er sie so lange hier festhalten? Und dann die Geschichte mit der Hochzeit. Sicher, Männer logen die ganze Zeit, aber sie behaupteten nicht, sie lebten »glücklich bis an ihr Lebensende« . Wenn er der Ansicht war, dass sie ihm mit dem Gedächtnisverlust nur etwas vormachte, und darauf wartete, dass sie mit der Wahrheit herausrückte, so war das ja nachvollziehbar, aber warum erzählte er jedem von der Heirat? Hatte er denn keine Angst, dass irgendwann alles aufflog und er in Erklärungsnot geriet?
Sie wusste selbst nicht, was genau zwischen ihnen ablief. Wieder schwirrte ihr die Frage im Kopf herum.
Was für ein Spiel spielte Devlin mit ihr? Sollte sie nicht doch ein wenig vorsichtiger sein ...
Mit einem verärgerten Schulterzucken tat sie den Gedanken ab und versuchte, ihre innere Anspannung zu bekämpfen. Sie hatte keine Angst vor Devlin. Immerhin hatten sie sich leidenschaftlich geliebt, und zu keinem Zeitpunkt hatte sie das Gefühl gehabt, dass etwas anderes als pures Vergnügen zwischen ihnen war.
Sie musste das Gemälde finden, damit sie ihm endlich die Wahrheit sagen konnte ... aber was würde er dann machen? Würde er es ihr überlassen? Er war schließlich nicht verrückt. Das Bild war ein Vermögen wert, und er war der
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