Die Herzogin der Bloomsbury Street
englischen Fans, die mich zum Essen eingeladen haben, sind ein reizendes Paar; sie wohnen in einem umgebauten Stall in Kensington. Die ursprünglichen Ställe stehen hinter den Wohnhäusern in einer kleinen Gasse, und zurzeit ist es Mode, Scheunen und Ställe in Wohnhäuser umzuwandeln, alle wollen in einem umgebauten Stall wohnen, es gilt als schick.
Aber Ställe und Scheunen sind aus Stein gebaut und haben keine Fenster. Und die Pferde haben sich nie besonders für die Wasser- oder Stromversorgung interessiert. Man kauft also einen von diesen Ställen und bringt sich fast dabei um, eine Pferdebox in eine höchst sonderbare Küche zu verwandeln (eingezwängt zwischen zwei hohen steinernen Trennwänden), man legt Stromleitungen und schließt den Stall an die Wasserversorgung an, man baut Küchengeräte und ein Bad ein und bringt die Möbel in die eigentliche Box – und wenn man fertig ist, kann man immer noch kein Loch in eine dreißig Zentimeter dicke Wand stemmen, um ein Fenster einzubauen, man hat also alles, was man braucht, außer frischer Luft. Das Paar, bei dem ich zum Essen eingeladen war, wohnt in einem reizenden kleinen Stall, der im Sommer, so erklärten sie mir fröhlich, so heiß ist, dass sie möglichst bald nach dem Essen rausgehen. Im Winter dagegen erfrieren sie ohne und ersticken mit Heizung.
Auf der anderen Straßenseite lebt Agatha Christie, die ebenso bequem eingerichtet und beträchtlich älter ist.
Idiotisch.
Sie servierten ein vornehmes Lachssteak, fuhren mit mir durch Chiswick – es wird Chisick ausgesprochen –, und wir gingen entlang dem Strand on the Green spazieren. Der Strand on the Green ist ein schöner Weg mit Blick auf die Themse, und man kann von den Häusern die Treppe hinunterlaufen und in den Fluss springen. Die Häuser wurden von Charles II . für seine Mätressen gebaut. Sie sind hübsch und entzückend, sehr teuer und begehrt, und die privilegierten Bewohner werden so beneidet, als würde die Themse nicht gelegentlich über die Ufer treten und ihre Wohnzimmer überfluten.
Ich weiß nicht mehr, worüber wir sprachen, aber ich erzählte etwas, das mit dem Central Park zu tun hat, und meine Gastgeberin sah mich entsetzt an.
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie in den Central Park gehen?«, fragte sie. »Ich dachte, dort werden die Menschen umgebracht.«
Ich sagte, ich ginge fast täglich dorthin, und bot ihr und ihrem Mann an, einen Spaziergang mit ihnen durch den Park zu machen, sollten sie je nach New York kommen. Und dann erzählten sie mir, sie hätten im letzten Jahr drei Tage im Plaza Hotel verbracht und nicht ein einziges Mal ihr Hotelzimmer verlassen, aus Angst, man könne sie umbringen. Sie sind nicht auf der Fifth Avenue flaniert. Sie haben den Central Park nicht gesehen, nicht einmal von einer Pferdekutsche aus. Sie haben nicht einen einzigen Wolkenkratzer betreten. Sie haben keine Besichtigungsfahrt mit dem Bus gemacht.
Sie haben ihr Hotelzimmer nicht verlassen.
»Wir hatten einfach Angst«, sagte die Frau.
Seit meiner Ankunft in London sind drei College-Studenten, die auf einem Zeltplatz schliefen, erschossen worden; ein Mädchen wurde erstochen in ihrer Wohnung aufgefunden; überall in der Stadt liest man Schilder, auf denen steht: LOCK UP LONDON (Verriegelt London). Ich habe P.B. gefragt, was sie bedeuten, und er hat mir erklärt, dass man mit dieser Kampagne versuche, die Londoner dazu zu bringen, ihre Türen und Fenster zu verschließen, wenn sie ausgehen, weil es eine Welle von Einbrüchen gegeben habe; drei seiner Freunde seien am selben Wochenende ausgeraubt worden.
Die Verbrechensrate in New York ist hundertmal größer als in London. Bei uns gibt es wahrscheinlich mehr Morde und Raubüberfälle in einer Woche als in London in einem Jahr. Dennoch, auch wenn es unbedeutend ist, es würde kein Schiedsrichter und kein Fan je seinen Blick lange genug von dem Geschehen auf dem Baseball-Feld abwenden, um eine Frau zu belästigen. Und kein Hund in New York würde je drei Mädchen auf der Straße anfallen und eins davon zu Tode beißen, wie es hier geschehen ist.
Ich meine, das Leben ist überall hart. In New York ist es härter. Aber nicht so hart, dass zwei Londoner sich ein ganzes Wochenende in einem Hotelzimmer verschanzen und sich ihre einzige Gelegenheit versagen müssten,
die
fabelhafte Stadt zu besichtigen, die das zwanzigste Jahrhundert hervorgebracht hat.
Eines Tages werde ich ein Buch über das Leben in New York schreiben – über das
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