Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, bei dem ihre weißen Zähne aufblitzten.
“Ich bin keineswegs ein Junge”, bemerkte Sylvie, wurde jedoch ignoriert.
“Zieh deine Stiefel an”, befahl Leung. Sobald Henri das erledigt hatte, nahm sie seinen Arm und führte ihn aus dem Zimmer, eine Treppe hinunter, über einen Absatz zu einer weiteren Treppe und durch drei verschiedene Flure zu einer letzten, abwärtsführenden Treppe. Leungs Schweigen war einschüchternd, aber sie wirkte nicht zornig oder grausam. Ihre nackten Füße und die Tatsache, dass sie nur eine einzige, kleine Waffe bei sich trug, beruhigten Henri zusätzlich. Da sie ihn zweifellos ohne jede Hilfe hätte töten können, spielte es ohnehin keine Rolle, wie er versuchte, sich zu verteidigen. Doch er war sich sicher, dass sie ihm nichts Übles antun wollte.
Vor einer Tür, die über und über mit geschnitzten Kraken verziert war, gab sie ihm einen leichten Schubs nach vorn. “Da drinnen ist Graf Maxime.” Sie wandte sich ab und ging mit geschmeidigen Schritten zurück zur Treppe.
Henri, der ins Taumeln geraten war, stützte sich an der Tür ab und atmete tief durch. Graf Maxime konnte unmöglich gewusst haben, was er und Sylvie dort oben gemacht hatten. Aus welchem Grund hatte er nach ihm geschickt? Es sei denn, die Herzogin war bei Maxime und hatte nach Henri verlangt; aber warum hatte Leung dann gesagt, der Graf habe den Befehl gegeben, ihn herbeizuschaffen?
Henri öffnete die Tür. Dampf schlug ihm entgegen. War hier die Wäscherei? Nein, sicher Bäder. Im Keller? Er trat in den Raum, der von Öllampen beleuchtet wurde, die hinter buntem Glas flackerten, das rot, golden und orangefarben wie ein Sonnenuntergang glühte. Auf den zweiten Blick erkannte er, dass die gläsernen Lampenschirme die Form von zwiebelartigen Kraken mit bronzenen Tentakeln hatten. Andere sahen aus wie Blasen, um die bronzene Delfine herumschwammen. Die Wände waren aus verschiedenen großen, gewölbten Steinen gemauert, in die Nischen für die Lampen gehauen waren, in den Fußboden war mit roten und orangefarbenen Steinchen ein Muster eingelassen. Die Luft roch nach Wasser, Mineralien und Rauch. Als er seine Wahrnehmungen überdachte und versuchte, den richtigen Schluss daraus zu ziehen, begriff er, wo er sich befand. Das hier war eine Höhle, in der sich heiße Quellen befanden.
Auch Graf Maxime befand sich hier: fast nackt, ein rotes Handtuch um die Lenden geschlungen, lag er auf einer in die Wand gehauenen Steinbank. “Willkommen, Henri”, sagte er. “Ich befehle dir, dich auszuziehen und dich dort drüben zu waschen.” Er deutete mit der Hand in die Richtung, die er meinte. “Dann können wir vielleicht anschließend gemeinsam baden.”
“Vielen Dank, Monsieur le Comte.” Was sollte er sonst sagen? Trotz seiner Nacktheit war Graf Maxime immer noch viel größer und stärker als Henri, außerdem war er ein ausgebildeter Kämpfer. Henri wusste nicht, ob er eine andere Wahl hatte, als zu bleiben.
Er zog sich aus und hoffte, dass sein Körper keine Male von der Sonderbehandlung durch Sylvie trug. Seine Kleidung legte er auf eine Holzbank, auf der sich bereits eine Hose, ein Hemd, eine Jacke und ein kleines Porzellangefäß voller juwelenbesetzter Ohrringe befanden. Er stellte fest, dass Graf Maxime normalerweise schlichte Kleidung trug und nicht solche auffallenden Stücke wie den bestickten Mantel, den er zur Begrüßung seiner Gäste angehabt hatte. Henri schob seine Stiefel neben Graf Maximes unter die Bank und ging in den Bereich, wo Eimer voller dampfendem Wasser standen. Der Boden unter seinen Füßen war warm, fast heiß.
“Dort im Regal liegt Seife”, erklärte Graf Maxime ihm. War das ein freundliches Angebot, oder wollte er Henri klarmachen, dass er nach Stall roch und seine Nase beleidigte? Das Handtuch um die breiten Schultern gelegt, kam er zu Henri herüber und sah dabei so kraftvoll wie eine Bulldogge aus. Henri hielt sich kerzengerade, obwohl sein Körper sich am liebsten zusammengerollt hätte. Er fand die Seifen und einen Lappen und reichte beides Graf Maxime. Obwohl er hier Gast war, konnte er dennoch nicht den Unterschied im Rang vergessen. Der Graf war derjenige, der sich als Erster waschen sollte.
“Vielen Dank, Henri”, sagte er. “Du musst mich Maxime nennen. Ich bin sicher, Camille würde nicht wollen, dass du dich vor mir verbeugst und einen Kratzfuß machst.” Er tauchte das Tuch in einen der Eimer, verrieb Seife darauf
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