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Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Titel: Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Janssen
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Fingers. Nachdenklich legte sie ein Stück Kohle nach dem anderen auf den Boden, um es unter ihrem Stiefel zu Staub zu zermalmen.
    Dann schob sie ihr Skizzenbuch wieder in die Satteltasche, ebenso den Gedichtband und eine flache Schachtel mit ihren Kosmetika und anderen Dingen, die für ihre Verkleidung notwendig waren. Sylvie würde deshalb beleidigt sein, denn es war ihre Aufgabe, Camilles Sachen zu packen. Das kümmerte Camille jedoch nicht. Sie konnte nicht tatenlos herumsitzen und warten. Nachdem ihre Satteltaschen gepackt waren, begann sie, das Sattelzeug für die Pferde zusammenzusuchen. Zufrieden stellte sie fest, dass Henri ihren eigenen Sattel für Guirlande mitgebracht hatte. Der Sattel sah so gepflegt aus, als würde er jeden Tag benutzt. Henri schien sich gewissenhaft darum zu kümmern, denn Leder und Metall waren ordentlich poliert. Aber ein bisschen zusätzliche Pflege konnte nie schaden. Außerdem liebte sie den Duft von Leder und Öl, der sie an Pferde und Freiheit erinnerte.
    Ihre Gedanken wanderten zu Henri. Sie wollte ihn schon wieder. Sehnsüchtig bebte ihr Körper. Sie konnte Henri jederzeit haben, sie brauchte es ihm bloß zu befehlen. Aber wollte er sie wirklich? Oder war er ihr nur zu Diensten gewesen, weil er glaubte, es sei nötig, um ihr Leben zu retten? Und wie konnte sie die Wahrheit herausbekommen? Wenn sie ihn um ein Stelldichein bat und er einwilligte, tat er vielleicht nur so, als würde er sie wirklich wollen. Und wenn es so war, verhielt sie sich dann nicht ebenso rücksichtslos wie der Herzog?
    Sie sagte sich, dass es darauf nicht ankam, solange sie nur Henri in ihrer Nähe wusste. Sogar ein Liebhaber, der nur Mitleid mit ihr empfand, war besser als der Herzog. Aber es fiel ihr schwer, sich selbst diese Lüge abzunehmen. Henri war so sanft zu ihr gewesen. Selbst als er sie herumkommandiert hatte, war er dabei zärtlich geblieben. Genau das wollte sie, nur häufiger. Sie war nicht sicher, ob ein gleichberechtigtes Geben und Nehmen mit Henri überhaupt möglich war. Selbst wenn man von ihrem Standesunterschied absah, war sie doch zwanzig Jahre älter als er, und außerdem hatte sie keine Ahnung, wie so etwas überhaupt funktionierte. Sie hatte nie jemanden gehabt, der ihr ebenbürtig war. Außer vielleicht Maxime, und mit ihm war sie nur kurze Zeit zusammen gewesen. Sich auf ein solches Experiment einzulassen wäre in ihrer augenblicklichen Situation vermutlich schrecklich unklug. Nie wieder wollte sie sich so verletzlich machen.
    Henri besaß hübsche, jugendliche Gesichtszüge und lange Wimpern. Selbst in schlecht sitzenden und dreckigen Kleidern bewegte er sich mit Anmut. Es konnte leicht passieren, dass eine reiche Dame am Hof ein Auge auf ihn warf und ihn unter ihre Fittiche nahm und aushielt. Zum Beispiel Baroness Cornaline oder Gräfin Ramier, eine junge Witwe. Mit einem unwilligen Laut auf den Lippen knetete Camille das Poliertuch in den Händen. Im nächsten Augenblick gewann sie ihre Disziplin zurück und machte sich wieder an die Arbeit.
    Etwa eine Stunde später hörte Camille sich näherndes Hufgetrappel. Ein Pferd galoppierte heran. Um festzustellen, was dort vorging, lief sie zum Tor, das Zaumzeug in der einen Hand, den Lappen in der anderen. Zu ihrem eigenen Erstaunen hatte sie einen Großteil ihrer Furcht im Palast zurückgelassen. Schon von Weitem erkannte sie durch das offene Tor, dass keine Gefahr drohte. Henri ritt auf Rhubarbes blankem Rücken und trieb den Hengst hier und da über Hindernisse: einen kleiner Busch, eine beschnittene Hecke. Er ließ das Tier einen Teil seiner überschüssigen Energie abarbeiten. Camille spürte, wie sich ein Lächeln auf ihre Lippen stahl. Der Sitz des Jungen war nicht bloß sicher, sondern auch schön anzusehen.
    Er sah sie vom anderen Ende der Koppel aus und kam in einem kurzen Galopp zur Scheunentür herüber. Ein breites Grinsen erhellte sein Gesicht. Er hat ja keine Ahnung, wie lieblich sein Lächeln ist, dachte Camille. Bei ihm gab es keine Spur von Eitelkeit. Nachdem sie so vielen Höflingen begegnet war, die sich ständig herausputzten, wurde ihr bewusst, dass dies eine seiner besonders attraktiven Seiten war.
    “Madame, er ist prächtig!”, rief er. “Wollt Ihr ihn reiten? Er ist sehr gehorsam.” Plötzlich errötete er. “Oh. Er gehört Euch ja auch, nicht wahr? Ihr könnt ihn reiten, wann immer Ihr wollt.”
    Camille hängte das Zaumzeug und den Lappen an einen Haken und nahm den Männerhut, den Sylvie ihr als

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