Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
… rein. Sie versuchte, sich auszumalen, wie er diesen Liebesdienst von ihr empfing, obwohl er zu ihr als seiner Herzogin aufschaute und sie nicht als einfache Frau sah. Vermutlich würde er vor ihr niederknien und sie anflehen, nie wieder einen so erniedrigenden Akt auch nur zu erwähnen. Camille hatte das nie als besonders erniedrigend empfunden, aber nun fragte sie sich, woher sie das eigentlich wissen sollte? Sie und Maxime hatten sich nur ein einziges Mal gegenseitig mit Lippen und Zunge befriedigt. Der Herzog hatte sie nie darum gebeten; schließlich hatte er geschickte Konkubinen, die diese Pflicht erfüllten. Sylvie musste diese Fähigkeit außerhalb der Palastmauern gelernt und praktiziert haben. Anderenfalls wäre Camille jedes Detail zugetragen worden. Sie sollte froh sein, dass das Mädchen Freiheiten hatte, über die sie selbst nicht verfügte, und nicht eifersüchtig sein.
Als wäre sie durch ihre Gedanken herbeigerufen worden, kam Sylvie in die Scheune. Sie sah aus wie ein adrett gepflegter Page. Ohne Umschweife kam sie zur Sache: “Madame, seid Ihr sicher, dass wir den Jungen brauchen?”
“Wir können ihm vertrauen.”
“Wir hätten auch allein herkommen können”, gab Sylvie zu bedenken. “Es ist nützlich, dass er die Aufmerksamkeit von uns ablenkt, aber sobald wir diesen Ort verlassen, wird er ein Hindernis sein.”
Camille sah ihre Dienerin streng an. “Er wird sich um meine Pferde kümmern.”
“Kaspar und ich …”
“Du und Kaspar seid da, um
mich
zu beschützen. Das ist einfacher, als meine Pferde zu pflegen, und verlangt weniger Fertigkeiten von euch.”
“Madame! Ihr steht unter dem Einfluss von diesem … diesem …” Sylvie wedelte mit der Hand. Camille beschloss, diese Handbewegung nicht als obszöne Geste zu verstehen.
“Du vergisst dich”, tadelte Camille sie kühl. “Ich trage die Verantwortung für die ganze Angelegenheit. Nicht du.”
Sylvie kniff die Lippen zusammen. Bevor sie nach draußen eilte, verbeugte sie sich flüchtig vor Camille. Seufzend schaute Camille ihrer Zofe nach. Sie hätte nicht zulassen dürfen, dass das Mädchen einen Streit mit ihr begann. Das war Sylvies Schwäche und zugleich Camilles Trost, denn sie hatte es satt, nie etwas anderes zu hören als
Ja, Madame.
Henri kehrte am Nachmittag zu den Ställen des Herzogs zurück, um einen der Deckhengste zu holen. Der Hengst würde nicht mit ihnen kommen, aber Henri wusste, dass er die übliche Prozedur durchlaufen musste, damit kein Verdacht aufkam. Camille hatte ihn gebeten, Guirlande mit Rhubarbe, einem Warmblüter aus der Bergregion, zusammenzubringen. Gleichzeitig machte Sylvie sich in ihrer Männerkleidung auf den Weg, um Vorräte zu besorgen. Kaspar begleitete sie. Mit einem Hut, einem Hemd und einer Jacke war Kaspar viel unauffälliger als in seiner üblichen Uniform und blieb hoffentlich unerkannt.
Camille blieb allein zurück. Anspannung und Zweifel zerrissen sie, und sie wünschte, sie hätte Henri gebeten, ihre Pferde in den Stall zu bringen, damit sie wenigstens ihre Bekanntschaft mit den Tieren erneuern könnte. Den Pferden so nahe zu sein und sie dennoch nicht sehen zu können, schmerzte sie. Camille verdrängte ihre Angst, die Pferde würden sich vielleicht nicht mehr an sie erinnern. Sie versuchte, ein Buch mit mythologischen Gedichten zu lesen, aber sie konnte sich nicht auf die Lektüre konzentrieren. Schließlich holte sie ihr Skizzenbuch und einen Kohlestift aus der Satteltasche, setzte sich neben die Tür der Sattelkammer, zeichnete Pferde und dachte nach.
Im Palast hatte man ihre Abwesenheit wahrscheinlich noch nicht bemerkt. Ihr Mann war durch die Orgie abgelenkt gewesen, die vermutlich die ganze Nacht gedauert hatte. Nach solchen Gelagen stand er nicht vor dem Nachmittag auf und verlangte dann sogleich nach viel Cognac gegen seine unvermeidlichen Kopfschmerzen. Anschließend ließ er sich von seinen Mätressen verwöhnen. Nun da sie sich schon fast befreit hatte, vermischte sich ihre Angst vor ihm mit Verachtung und einem Gefühl der Erleichterung. Sie zeichnete ihn hinter den erhobenen Schweif eines Hengstes, der Pferdeäpfel auf ihn regnen ließ, und musste wegen ihres kindischen Benehmens über sich selbst lachen.
Sie hatte ihren Mann nie geliebt. Ihr Vater hatte ihn für sie ausgewählt. Er war der jüngere Sohn eines Herzogs, dessen Reich an das ihre grenzte. Mit der Hochzeit sollte ein Vertrag zwischen beiden Herzogtümern besiegelt werden, zudem bedeutete die
Weitere Kostenlose Bücher