Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
Verbindung einen steten Strom von Geld und Besitztümern in die Privatschatulle ihres Vaters. Der junge Michel war hübsch und eifrig darum bemüht, sinnliche Genüsse zu erfahren. Er war so leidenschaftlich, dass sie manchmal sogar Vergnügen empfand, was sie von einer arrangierten Ehe gar nicht erwartet hatte. Eine Zeit lang versuchte er, ihr Lust zu bereiten, oder schien sich zumindest zu bemühen. Er ließ sie vor dem Rat sprechen und einige Male pro Woche durfte sie zu Gericht sitzen. Außerdem hatte er den einen oder anderen der Höflinge, die sie ihm empfahl, in den Stand einen Barons erhoben und versprach ihr sogar, über ihre Vorschläge nachzudenken, wie Maximes Protektorat am besten zu besteuern und zu verwalten sei.
Zu Beginn hatte sie gehofft, in der Ehe mit Michel so etwas wie Zufriedenheit zu erlangen. Sie war gewillt, Kompromisse einzugehen, und hatte geglaubt, sie könnte ihn überzeugen, ihr manchmal ebenfalls entgegenzukommen. Er stammte ebenso wie sie aus einer Welt, in der Politik und das höfische Zeremoniell eine wichtige Rolle spielten, und sie hatte gedacht, er würde ihren Wunsch verstehen, ihre Verbindung zum Wohle ihres Landes zu nutzen. Sie hatte nicht erwartet, dass er ihr nach und nach jede Möglichkeit nehmen könnte, sich mit ihm auszutauschen, und er schon bald ausschließlich daran interessiert sein würde, allein zu herrschen. Am Beispiel ihrer eigenen Mutter hätte sie voraussehen können, dass es so kommen würde. Allerdings war ihre Mutter die jüngere Tochter eines Grafen gewesen und nicht die Alleinerbin eines Herzogs. Camille war so dumm gewesen zu glauben, das würde einen Unterschied bedeuten. Für Michel aber war sie jedoch in allen Belangen und in erster Linie eine Frau und damit sein Eigentum.
Selbst angesichts dieser Umstände hätte Camille vielleicht versucht, Michel zu lieben oder wenigstens Zuneigung zu empfinden, wenn er nicht ihren Dienern und auch ihr gegenüber schon bald eine gedankenlose Grausamkeit offenbart hätte. Zur damaligen Zeit war ihr nichts aufgefallen, aber jetzt verdächtigte sie Michel, irgendwie den Tod von Jarman, dem Offizier ihrer Eunuchengarde, arrangiert zu haben. Jarman hatte sie seit ihrer Kindheit beschützt; er war wenige Tage vor ihrer Verlobung mit Michel gestorben. Und nach dem Tod ihres Vaters war Michels Gefühlskälte immer schlimmer geworden, sobald niemand mehr da war, dem er etwas vormachen musste. In der Nacht vor dem Begräbnis ihres Vaters fand sie zum ersten Mal eine Mätresse – nein, es waren sogar zwei gewesen – im Bett ihres Gemahls. Camille hatte sich Michel, der nun der neue Herzog war, nie verwehrt. Schließlich waren sie durch Recht und Gesetz miteinander verbunden. Aber schon bald konnten seine erotischen Fertigkeiten sie nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass sie einen heftigen Widerwillen gegen seine Arroganz und seine Selbstsucht entwickelt hatte. Auch seine unverhohlenen Ausschweifungen störten sie zunehmend.
Nach und nach verlor sie ihre Macht. Er übernahm einen ihrer Gerichtstage, dann noch einen und noch einen. Zunächst behauptete er, das täte er, damit ihr mehr Zeit mit ihren Pferden blieb, dann unterstellte er ihr, ihre weibliche Nachgiebigkeit führe zu viel zu milden Urteilen. Sie stritt mit ihm und schien sich zunächst auch durchsetzen zu können. Doch dieser Sieg war nur vordergründig, denn sie fand bald heraus, dass er ihre Urteile widerrief. Als Nächstes hatte er Casimir fortgeschickt, den Eunuchen, der seit ihrer Jugend über sie wachte, und behauptete, er habe ihn vorzeitig aus seinen Diensten entlassen, um ihn für seine Treue zu belohnen. In Wahrheit wollte er auf diese Weise nur einen ihren standhaftesten Beschützer und Getreuen loswerden. Es kam der Tag, an dem er ihr verbot, in Begleitung der Palastwachen auszureiten, und behauptete, es wirke sonst so, als hätte sie ihnen mehr zu befehlen als er. Und wenn man sie dabei beobachte, wie sie mit den Männern lachte und scherzte, könne man denken, sie hätte sich den einen oder anderen von ihnen zum Liebhaber genommen. Dieser Verdacht dürfe auf keinen Fall aufkommen, denn das würde die Erbfolge in Gefahr bringen.
Das Kohlestück zerbrach zwischen ihren Fingern, und Camille ließ ihr Skizzenbuch sinken. Die beiden Kohlestücke waren zu klein, um sie noch zum Zeichnen zu benutzen. Sie zerbröselte die Kohle immer weiter, bis nur ein paar Bröckchen übrig blieben, von denen keines größer war als der Fingernagel ihres kleinen
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