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Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Titel: Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Janssen
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Verkleidung gegeben hatte. Mit dem Hut und der weit geschnittenen Jacke war sie aus der Ferne vermutlich nicht zu erkennen. Sie wusste jetzt, dass die Ankunft eines Pferds nicht zu überhören war, ohnehin würden die Palastwachen zu mehreren kommen. Nachdem sie rasch ihr Haar bedeckt und die Handschuhe angezogen hatte, betrat sie den Innenhof. Die Stuten und der Wallach waren auf der anderen Seite der Koppel – das war zu weit, um rasch hinzugehen. Sie würde ihren Pferden später einen Besuch abstatten. Jetzt wollte sie reiten. Vor Aufregung schlug ihr Herz schneller. “Gib mir deine Hand, damit ich aufsteigen kann.”
    Henri reichte ihr die Hand und streckte den Fuß aus, damit sie ihn als Steigbügel benutzen konnte. Er errötete heftig. Camille raffte mit einer Hand den Rock ihres Reitkleids zusammen, schwang sich hinter Henri auf den Hengst und saß wenige Herzschläge später zum ersten Mal seit vier Jahren auf dem Rücken eines Pferdes.
    In der kommenden Minute kostete sie einfach nur die Bewegungen der Muskeln unter sich aus, die schiere Lebenskraft des Tieres. Das kräftige Pferdearoma stieg ihr in die Nase. Laut lachend schlang sie die Arme fest um Henris schlanke Taille. Sie konnte auch die Bewegungen seiner Muskeln spüren. Sein Geruch erinnerte sie an Glühwein. “Prächtig!” stimmte sie ihm zu.
    Henri blickte sie über die Schulter an. “Wo würdet Ihr gerne hinreiten, Madame?”
    “Es gibt in der Nähe einen Fluss. Kennst du den?”
    Henri trieb den Hengst an, erst bewegten sie sich in gemächlichem Schritt vorwärts, dann trabten sie, ehe er das Pferd zum Kanter trieb. Das hohe Gras streifte ihre Stiefel wie kleine Peitschen. Die Hufe des Pferdes zerdrückten die Gräser und wirbelten den köstlichen Duft von Frühling auf. Camille spürte, wie sich Muskeln ihres Körpers, die sie lange nicht benutzt hatte, streckten und schmerzten. Doch das kümmerte sie nicht. Solange sie auf dem Rücken eines kraftvollen Pferds im Sonnenlicht ritt, war die Welt für sie in Ordnung.
    Nach einigen Minuten sprach Henri sie an. “Madame …”
    “Ja, Henri?”
    “Ich … ich …”
    “Warum lassen wir ihn nicht den Rest des Weges galoppieren?”, schlug Camille vor, weil sie merkte, dass er keine Worte fand. Sie legte eine Hand auf ihren Hut, damit er bei der schnellen Geschwindigkeit nicht davonflog.
    “Ja, Madame.”
    Camille nahm den würzigen Geruch des Flusses wahr, kurz nachdem der Hengst neugierig den Kopf gehoben hatte. Früher, als es ihr noch erlaubt gewesen war zu reiten, war sie oft am Wasser entlanggeritten. An manchen Tagen war sie an einer seichten Stelle durch den Fluss geritten, manchmal aber hatte sie die Breite des Stroms mit einem Sprung überwunden. Das Reiten war schon immer ihr Trost und ihre Zuflucht gewesen. Als Kind war sie nach ihrem Unterricht in den Stall gelaufen, hatte ihr Pony Poire gesattelt und war aufgebrochen, nur von einem Eunuchen begleitet.
    Heute sah es anders aus. Die Bäume erschienen ihr größer, der Uferstreifen schmaler. Nachdem sie abgestiegen war, schlenderte sie durch das hohe Gras und die üppigen Wildblumen zum Wasser. Es strömte über algenbewachsene Steine und schimmerte so kostbar wie die wertvollsten Smaragde.
    Henri band Rhubarbe an einen Busch und untersuchte rasch die Beine und Hufe des Pferdes. Camille lächelte, als sie sah, mit welcher Sorgfalt er sich um das Tier kümmerte. Er drehte sich um, ehe das Lächeln von ihrem Gesicht verschwand, und als er es bemerkte, errötete er. Seit jenem zeitlosen Moment an diesem Morgen in der Scheune hatte er offenbar seine Nervosität wiederentdeckt. Er bückte sich und wischte mit einer Handvoll Gras etwas von seinen Stiefeln. Dann setzte er sich hin und zerrte sich die Stiefel von den Füßen. Vermutlich wollte er damit Zeit schinden.
    “Gehen wir ein Stück”, schlug Camille vor.
    “Ja, Madame.”
    “Henri.” Sie blickte ihn streng an. “Du brauchst nicht in jedem Satz, den du an mich richtest,
Madame
zu sagen.”
    “J…ja.” Er blickte konzentriert auf den Boden, während sie gingen. Die Stiefel hatte er im Gras zurückgelassen. Ihr kam eine Idee. Sie hielt ihn am Arm fest, und er blickte zu ihr auf.
    “Wir werden lange auf staubigen Straßen unterwegs sein. Hilfst du mir, meine Stiefel auszuziehen? Ich möchte gerne im Gras laufen, bis es Zeit wird, zurückzureiten.”
    Seine Augen weiteten sich, doch dann nickte er. “Natürlich, Madame.”
    Camille seufzte unterdrückt. Sie fand einen Fels,

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