Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
Jahr später an den Hof musste, denn die Pflichten, die ihr dort oblagen, nahmen fast den ganzen Tag in Anspruch, sodass sie nur in den frühen Morgenstunden ausreiten konnte.
Die anderen Frauen und Mädchen am Hof waren zunächst freundlich zu ihr, aber sie begriff schon bald, dass sie diese Freundlichkeit nur dem neuen Reichtum ihres Vaters zu verdanken hatte, nachdem dieser Maximes Vater umgebracht und dessen Ländereien an sich gebracht hatte. Sobald die anderen Hofdamen sie jedoch besser kennengelernt hatten und wussten, dass sie sich mehr für Pferde als für Mode interessierte, beobachteten sie sie misstrauisch, als würden sie jeden Moment erwarten, dass sie Hosen anzog und davongaloppierte wie eine Frau in einer Abenteuergeschichte. Die Jungen in ihrem Alter grinsten, wenn sie sich vor ihr verbeugten, und machten derbe Scherze, wenn sie im Herrensattel ritt.
Als sie nach Hause zurückkehrte, war ihr Vater bereits dabei, Listen mit möglichen Heiratskandidaten für sie aufzustellen. Maxime war nicht unter ihnen. Obwohl Camille und er keine Freunde waren, war er ihr doch vertrauter als die jungen Leute bei Hofe, und sie ertappte sich dabei, dass sie sich darauf freute, ihn wiederzusehen. Während ihrer Abwesenheit war Maxime zu einem großen, gut aussehenden Mann geworden. Sie fing an, auf den Fluren nach ihm Ausschau zu halten, und ritt zu den Zeiten aus, wenn auch er auf seinem Pferd unterwegs war. Die anderen Frauen im Herzogspalast hatten ebenfalls längst bemerkt, wie gut er aussah, aber Camille wusste, dass am Ende sie ihn bekommen würde. Die anderen mochten ihm ihre Körper geben, aber sie würde sich nicht von Höflingen, Dienern und Eunuchen davon abhalten lassen, ihn wirklich kennenzulernen.
Maxime war nur ein Jahr älter als sie, und es dauerte nicht lange, bis auch er ihre Nähe suchte. Ihre ersten Unterhaltungen waren nur kurz. Sie fragten sich gegenseitig nach ihrem Befinden und redeten über ihren Unterricht oder die Vorzüge und Fehler ihrer jeweiligen Reitpferde; dabei mieden sie jedes Thema, das der Eunuch, der Camille begleitete, oder Maximes Diener, der stets in seine Nähe war, auffällig finden könnten. Camille sprach am liebsten mit ihm über Pferde. Eines Tages erzählte Maxime ihr vom Meer. Es war, als würde er sie zum ersten Mal wirklich sehen, und genauso ging es ihr mit ihm. Camille genoss seine glühenden Blicke und bat ihn, ihr noch mehr zu erzählen. Doch er fragte sie stattdessen nach ihrem neuen Fohlen und sah ihr tief in die Augen, während sie sprach. Noch nie zuvor hatte ihr jemand so aufmerksam zugehört. Niemand hatte sich für das interessiert, was sie zu sagen hatte.
Rasch wurden ihre Unterhaltungen länger, und sie redeten über andere Dinge. Maxime sprach über seinen Unterricht in Politik und Landeskunde und ermutigte Camille, ihm über ihre Schulstunden zu berichten. Im Flüsterton erzählte er ihr, wie das Herzogtum seiner Eltern regiert worden war und was die Unterschiede zur Regierung ihres Vaters waren. Seine Mutter hatte die Hälfte der Regierungspflichten wahrgenommen, doch davon sprach außer Maxime niemand mehr. Frauen hatten auch als Wachen und Soldaten gedient, und es hatte keine Eunuchen gegeben, bis auf die, die als Verfolgte ins Land gekommen waren.
Camille fand die Unterschiede faszinierend und fragte sich bei manchen Dingen, warum ihr Vater sie nicht übernommen hatte. So kam es, dass sie zum ersten Mal etwas infrage stellte. Heimlich begann sie Pläne zu schmieden, wie sie das Herzogtum regieren würde, wenn sie erst einmal Herzogin war.
Eines Wintertages verbrachte sie den Vormittag damit, den Ball anlässlich ihres sechzehnten Geburtstags zu planen. Es sollte ihr erster offizieller Auftritt in der höchsten Gesellschaft sein. Unter den Gästen würden Heiratskandidaten aus sechs verschiedenen Herzogtümern sein, unter ihnen, obwohl sie es zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, ihr künftiger Ehemann. Maxime würde ebenfalls dabei sein, gekleidet in die Farben ihres Vaters, eine Tatsache, die ihm wahrscheinlich nicht sonderlich gefiel, obwohl er im Laufe der Zeit gelernt hatte, seine wahren Gefühle zu verbergen. Auch Camille hatte sich diese Fähigkeit angeeignet, nachdem sie eine Zeit lang die Intrigen ihres Vaters und seiner Günstlinge beobachtet hatte.
An jenem Tag schneite es so heftig, dass sich der Schnee im Laufe des Vormittags bereits hoch auftürmte, und es wäre sehr unklug gewesen, ihren täglichen Ausritt zu unternehmen.
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