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Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber

Titel: Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Janssen
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ausgiebige Pflege für Hufe und Fesseln brauchen würden.
    Am häufigsten begegneten sie auf der Straße Ochsenkarren, von denen einige so hoch beladen waren, dass es der Größe von zwei Männern entsprach. Einmal kamen sie an einem Wagen vorbei, der Glasflaschen voller Schnaps transportierte. Dieser Wagen wurde von sechs Maultieren gezogen, von denen Henri annahm, dass sie mehr wert waren als alle Pferdeknechte und Burschen eines großen Stalls in einem ganzen Jahr verdienten. Neben dem Kutscher saß eine gefährlich bewaffnete Wache auf dem Bock, und ein zweiter Wachmann ließ hinten seine Beine aus dem Wagen baumeln. Im Vorbeifahren hoben die Kutscher der verschiedenen Wagen lässig die Hände zum Gruß, aber keiner von ihnen schien die beiden Reiter auf den staubigen Pferden sonderlich zu beachten.
    Henri geriet in den besonderen Schwebezustand, den er auch immer erreichte, wenn er die Pferde auf der Reitbahn trainierte. Sein Blick senkte sich und alles, was er noch wahrnahm, war die ständige, kaum merkliche Verständigung zwischen seinem Körper und dem des Pferdes. Tulipe war nervöser als gewöhnlich, und er konzentrierte sich darauf, die Stimmung des Tiers als Übung zu nutzen, wobei er fast vergaß, dass er an der Seite der Herzogin ritt. Deshalb bemerkte er auch die drei Reiter, die aus dem Wald sprengten, erst in dem Moment, als Tulipe auf sie reagierte.
    Die beiden vorderen zwei Reiter hielten Schwerter in den Händen. Henris spontane Reaktion war, Tulipe die Sporen zu geben, aber er zog sofort wieder die Zügel an, als er sah, wie der dritte Reiter einen gespannten Bogen mit einem spitzen, tödlichen Pfeil auf ihn und die Herzogin richtete, offenbar in der Absicht zu töten.
    Henri schoss der Gedanke durch den Kopf, dass dies seine Chance war, seine Herzogin zu retten. Er hatte bloß keine Ahnung, wie er das anstellen sollte. Sein Messer war nur dazu geeignet, Feinde anzugreifen, die direkt vor ihm standen, die Herzogin war nicht bewaffnet, und er konnte nichts anderes als reiten, grobe Arbeiten verrichten und leidlich mit dem Messer umgehen. Tulipe würde jedem seiner Befehle gehorchen, aber ganz gleich, was er tat, der Pfeil konnte sein Ziel finden. Die Herzogin hatte gesagt, er solle sich nicht selbst in Gefahr bringen, und sicher wollte sie auch nicht, dass Tulipe verwundet wurde. Außerdem konnte der Bogenschütze sie ebenso leicht treffen wie ihn. Sein Herz pochte wild bei dem Gedanken an den Fehler, den er fast begangen hätte, als er auf die Reiter zu galoppieren wollte. Andererseits würde der Bogenschütze Zeit brauchen, um einen neuen Pfeil einzuspannen. Wenn er auf Henri schoss, würde es der Herzogin vielleicht gelingen zu fliehen. Er verlagerte sein Gewicht im Sattel. Doch noch bevor er Tulipe antreiben konnte, sagte die Herzogin: “Nein.”
    Henri zwang sich, seine Hände zu senken und sich zu entspannen. In diesem Moment fiel ihm ein, dass sie Schmuck und Geld bei sich trug. Es war nicht alles, was sie mit auf die Reise genommen hatten, aber vielleicht genug, um die Angreifer zufriedenzustellen, ganz gleich, ob der Herzog sie geschickt hatte oder nicht. Wenn sie sich ein Mal hatten kaufen lassen, würden sie auch ein zweites Mal käuflich sein. Er und die Herzogin würden nicht mehr viel Geld brauchen; sie hatten ihr Ziel fast erreicht, und bald würden Sylvie und Kaspar sie einholen und den Rest ihres Vermögens mitbringen. Die Herzogin war sicher der Meinung, dass ihrer beider Leben gegen Geld und Edelsteine ein guter Tausch war. Aber was würden die Banditen über den Schmuck denken? Wenn der Herzog sie
nicht
geschickt hatte, würden sie es dann nicht verdächtig finden, wenn zwei unscheinbare Reisende solche Geschmeide mit sich führten? Vielleicht konnten die Herzogin und er vorgeben, reiche Kaufleute zu sein, die sich schäbig angezogen hatten, um nicht aufzufallen.
    Seine vorläufigen Pläne erwiesen sich als überflüssig. “Rückt die Pferde raus oder Ihr seid tot”, verlangte der Anführer. Er war ein riesiger Mann mit einem dichten Bart und trug, ebenso wie die anderen Räuber, eine Maske über Mund und Nase.
    “Nein!”, antwortete die Herzogin.
    Henri verzog den Mund zu einem angespannten, zustimmenden Grinsen – alles, aber nicht die Pferde! –, dann spürte er, wie sich sein Magen in eisigem Schreck verkrampfte. Er hätte sofort sagen sollen, dass sie Geld hatten. Allerdings hätten die Banditen dann das Geld
und
die Pferde verlangt. Spielte das eine Rolle? Es gab

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