Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
nehmen.
“Hallo?”, rief er und stampfte laut mit seinen Stiefeln auf, bevor er den Kopf durch die Küchentür steckte.
“Ja?” Madame Blanche wirkte aufgeregt, ihre Hände steckten in einer Schüssel voll Teig. Sie war sehr klein, reichte Henri kaum bis zur Brust, hatte aber einen Busen, dessen Größe besser zu einer viel stattlicheren Frau gepasst hätte. Henri musste an das Bild der Meerjungfrau denken und stellte mit einem leichten Schreck fest, dass auch ihr Gesicht das der Nixe war, obwohl sie viel älter war, vielleicht ein paar Jahre älter als die Herzogin.
“Ich komme aus dem Stall”, erklärte Henri. “Ich wollte fragen, ob Ihr noch ein paar Karotten für den Eimer habt. Leider habe ich sie alle für unsere Pferde verbraucht.” Weil er wusste, dass er sie dazu bringen musste, ihn zu mögen, schenkte er ihr ein zögerndes Lächeln.
Jetzt hob sie zum ersten Mal den Kopf und fixierte einen Moment lang unbewegt sein Gesicht. Henri scharrte mit den Füßen, und sie schaute abrupt wieder hinunter auf ihre Teigschüssel, während sie erwiderte: “Ich schicke den Spüljungen jeden Tag in den Stall, um den Eimer aufzufüllen. Ihr – unsere Gäste – müsst Euch nicht bemühen.”
Henri spürte, wie sein Lächeln verblasste. “Tut mir leid. Ich wollte nur ein wenig behilflich sein. Wir sind gerade angekommen.” Mit festerer Stimme fügte er hinzu: “Meine Mutter, mein Bruder und ich. Falls das Euer Mann war, den ich eben hier herauskommen sah, war er derjenige, der uns in Empfang genommen hat.”
“Nein, Charles ist mein Bruder. Ich bin Madame Blanche”, erklärte sie und hob den Teigklumpen aus der Schüssel, um ihn auf einem mit Mehl bestäubten Brett kräftig durchzukneten. “Die Frau ist Eure Mutter?”
“Ja, Madame.”
“Ich habe gehört, dass sie kinderlos ist”, bemerkte Blanche.
“Ihr kennt meine Mutter?” Henri schaute sie fragend an.
“Vom Hörensagen. Ich glaube nicht, dass Ihr ihr Sohn seid, ebenso wenig wie Euer Bruder. Ihr drei seht Euch überhaupt nicht ähnlich.” Sie stockte. Als Henri nichts erwiderte, teilte sie den Teig und formte die einzelnen Teile zu langen Laiben in der Form von Meerjungfrauen.
Henri stellte den Eimer ab. “Bitte sagt es niemandem.”
“Was soll ich nicht sagen?”, erkundigte sich Blanche. Sie wischte sich die Hände an einem Handtuch ab und stemmte sie in die Hüften. “Nun?”
Henri musste sich keine Mühe geben, beschämt dreinzuschauen. “Wir wollten in einem anständigen Gasthaus übernachten. Und Euer Schild mit den Meerjungfrauen ist so wunderschön. Ich beschloss, hierher zu kommen, obwohl die anderen am Straßenrand schlafen wollten, wo niemand uns bitten würde …” Er wagte einen Blick in ihr Gesicht.
Nun sah Blanche eher verwirrt als streitlustig aus. “Worum würde man Euch bitten?”
“Um unsere Dienste”, stieß Henri hervor. “Und Marie ist so erschöpft – sie möchte sich erholen. Wir sind auf der Reise – Ihr seid eine Frau, und obwohl Ihr eine anständige Frau seid, könnt Ihr vielleicht verstehen, wie es für Marie ist? Immer tun zu müssen, was die Männer von ihr verlangen und nie einen Moment für sich zu haben?”
Blanches Lippen öffneten sich. “Ihr wollt sagen …”
“Wir sind keine respektablen Leute”, behauptete Henri und errötete bei dieser Lüge heftig. “Wir haben gemeinsam … Wir haben gemeinsam in einem Etablissement gearbeitet. Für vornehme Herren. Und im letzten Gasthaus, in dem wir übernachtet haben, war ein Mann … Er hat Marie gezwungen … Oh, ich kann es Euch nicht sagen. Bitte behaltet unser Geheimnis für Euch und lasst uns für diese Nacht hierbleiben. Ich tue … Ich tue alles, was Ihr von mir wollt.” Er schaute sie zögernd an. “Ich werde mein Bestes geben, Euch zufriedenzustellen, wenn Ihr uns nur bleiben lasst.”
Er machte einen Schritt auf sie zu, dann noch einen. Der Tisch stand zwischen ihnen, aber er streckte ihr die Hand entgegen. Er musste nicht so tun, als würden seine Finger zittern. “Bitte!”
Blanche kam um den Tisch herum. “Du armer Junge. Was für schreckliche Dinge du erlebt haben musst.”
Henri senkte den Blick. “Ich gehe nie wieder dorthin zurück.”
“Das hoffe ich”, erklärte sie. “Ich möchte dir gern ein paar schönere Erinnerungen schenken.” Sie nahm seine Hand zwischen ihre und drückte sie. Die Berührung erregte ihn nicht, aber er fand sie auch nicht unangenehm. Er würde sich einfach nur sehr bemühen müssen, so
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