Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
verheiratete Segimund. Sie durften sich bis zur Wahl nirgends zeigen, um die Bürger nicht zu beeinflussen, ob nun gewollt oder ungewollt.
Unterdessen waren in ganz Alemannien Tag für Tag die Versammlungsplätze gefüllt, die Bürger berieten mit viel Bedacht, welchem Kandidaten oder diesmal vielleicht Kandidatenpaar, ihr jeweiliger Stadt- oder Dorfkreisbürgermeister am Wahltag seine Stimme geben soll. Für die drei Kandidaten im Frowanger Schloss eine nervenaufreibende Wartezeit, eine wochenlange, zermürbende Wartezeit.
Dann endlich, eine Woche vor der Sonnenwende, fand auf dem Frowanger Dingplatz die große Abstimmung statt. Alle rund dreieinhalbtausend Bürgermeister hatten sich eingefunden, jeder seine kleine weiße Wahlfahne in der Hand, mit der er die von seinen Stadt- oder Dorfbewohnern vereinbarte Stimme abzugeben hatte.
Auf der erhöhten Platzmitte standen auf einem Holzpodest das Fürstenpaar und die inzwischen zweiundzwanzig Regierungsräte. Nachdem die Fürstin die Bürgermeister begrüßt hatte, gab sie dem Platzwärter ein Handzeichen, und der schlug darauf feierlich die Dingglocke. Damit war die Wahl eröffnet. Alle Versammelten blickten hoch zu dem Podest, wo nun ein Regierungsrat, der heutige Wahlsprecher, vortrat. Er setzte einen Schalltrichter an die Lippen und rief aus: „Lasst uns beginnen. Der Einfachheit halber klären wir zunächst die Frage nach einem Kronprinzenpaar. Wer also für ein Kronprinzenpaar zu stimmen hat, der hebe jetzt seine Wahlfahne an.“
Darauf gingen mehrere Wahlfahnen in die Höhe. Die Ratsleute warteten noch einen Moment und zählten sie dann ab. Es waren fünfhundertdreiundzwanzig, für einen Wahlsieg wohl kaum ausreichend. Der Sprecher gab das Ergebnis bekannt und ließ die Fahnen jener Bürgermeister einsammeln, die für ein Kronprinzenpaar gestimmt hatten und sich deshalb an der weiteren Wahl nicht mehr beteiligen dürfen.
Anschließend bat er um die Stimmabgaben für Gräfin Walgund. Nun hoben sich unerwartet viele Fahnen, die Ratsleute konnten sie kaum überblicken - die Hälfte aller? Sie wollten mit der Auszählung beginnen, doch der Fürst hielt sie davon ab, sie sollten die Abstimmung zunächst fortsetzen, ordnete er an, wer weiß, was sich noch ergebe.
Und tatsächlich, eine Überraschung ergab sich, sogar unmittelbar danach. Denn als der Sprecher die Versammelten bat, jetzt ihre Stimmen für Ritter Segimund anzuzeigen, hoben nur wenige ihre weißen Fahnen an, nicht mal ein Zehntel der noch Wahlberechtigten. Das Fürstenpaar wie auch die Räte sahen einander perplex an, sie hatten doch Segimund für den Favoriten gehalten. Deshalb wiederholte der Sprecher seine Aufforderung: „Für Ritter Segimund, bitte, den bisherigen Kronprinzenassistenten.“
Doch keine weitere Fahne kam hinzu, und die Auszählung ergab lediglich zweihundertsechzehn Stimmen.
Etwas verwirrt darüber, ließ das Fürstenpaar, nachdem die für Segimund erhobenen Fahnen, eingesammelt waren, eine Pause einlegen.
Während dieser Pause deutete sich im Fürsten ein vages Hoffen an - sollte Waldur . . ? Allerdings schlichen sich bei derart umfangreichen Abstimmungen nicht selten Fehler ein, wusste er, weshalb sie am Ende wiederholt werden mussten.
Bald ertönte wieder die Stimme des Wahlsprechers: „Bitte jetzt die Stimmabgaben für Ritter Waldur.“
Hunderte von Fahnen gingen darauf in die Höhe. Das Fürstenpaar und die Räte schätzten aufgeregt die Anzahl - Ebenso viele wie für Walgund? Es war nicht auszumachen.
„Veranlasst eine Aufstellung“, ordnete der Fürst deshalb an, wobei er kaum seine Freude verbergen konnte, und die Fürstin, deren Augen ebenfalls jetzt glänzten, nahm selbst den Schalltrichter zur Hand um zu verkünden:
„Eine knappe Entscheidung also zwischen Gräfin Walgund und Ritter Waldur. Doch für die genaue Auszählung müssen wir um eine getrennte Aufstellung bitten. Wessen Stimme Gräfin Walgund gilt, tritt in das leer gehaltene Ostquadrat, und wer für Ritter Waldur stimmt, in das leere Westquadrat. Die Ratsleute werden Euch dabei behilflich sein.“
Somit entstand auf dem Dingplatz ein Gedränge und Geschiebe, doch nach einer halben Stunde standen alle Bürgermeister ordnungsgemäß bereit. Dann begannen die Regierungsräte mit der Auszählung, während der sich das Fürstenpaar bereits einen hoffnungsvollen Blick zuwarf - im Westquadrat schienen mehr Menschen versammelt zu sein.
Nicht lange, und es erfolgte die Bekanntgabe: „Eintausendzweihundertzwölf Stimmen
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