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Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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er lachend von Chlodwigs zehnjährigem Bruder Alverich, der trotz seiner geistigen Behinderung ein ganzer Pfiffikus war. Doch als er anschließend auf die fünfzehnjährige Audefleda kam, wurde seine Stimme kratzig. Audefleda sei ja auch recht nett, betonte er, wenn sie nur nicht so aufdringlich wäre. Ständig starre sie ihn bei Tisch an, suche ihm beim Essenverteilen die feinsten Bissen aus, und zweimal habe sie ihm nun schon auf seine Schlafdecke eine Serviette mit Honigkuchenherzen ausgebreitet.
Ethne bemühte sich ernst zu bleiben, als sie ihm darauf sagte: „Audefleda muss herausgefunden haben, wie gerne du Honigkuchen magst.“
„Aber keinen herzförmigen“, knurrte er, „und erst recht keinen von ihr.“
„Dann wäre es klug, du sagst ihr das.“
„Ja?“
„Ja, Waldur.“
„Gut, dann werde ich ihr das sagen. - Oder Chlodwig soll das übernehmen, der kann sowas besser als ich.“
Auf Chlodwig gekommen, brachte Waldur endlich die Frage heraus, die er ständig vor sich her geschoben hatte: „Ethne, Chlodwig hat mir da was gesagt, aber der flunkert ja manchmal, und da . . , da . . “
„Was hat er dir gesagt?“
„Ich, ja, ich habe wissen wollen, woher der Name Merowing stammt, und da hat er gesagt, er würde sich von Merowech, einem Gott ableiten, und dieser Gott wäre - aber gell, du lachst jetzt nicht“, er sah fragend zu Ethne hoch, und da sie ihn ernst anblickte, vollendete er den Satz, „der wäre sein Ururgroßvater gewesen.“
„Au! - Naja, ganz aus der Luft gegriffen ist das nicht“, klärte sie ihn auf, „nur gewaltig übertrieben. Merowech war zwar weder ein Gott noch Chlodwigs Ururgroßvater, wohl aber ein großer salischer Heilsmensch. Und nach ihm haben sich alle salischen Regenten Merowinger genannt. So ist das.“ Darauf wollte Waldur eine Frage stellen, doch sie sprach weiter: „Da wir gerade bei diesem Thema sind, Waldur, eine Neuigkeit für dich: Wir haben erfahren, dass die Römer den besetzten Nordgalliern, also allen Franken und Parisern, nach den Weihenächten wieder ein neues Gesetz aufzwingen werden. Und dieses Gesetz besagt, dass von da an jeder älteste Sohn eines Regenten automatisch Kronprinz ist. Mit oder ohne Regentenausbildung und natürlich ohne Volkswahl.“
„Aber - aber wie soll denn das funktionieren? Wie soll einer denn ohne Ausbildung regieren können?“, stammelte Waldur, worauf Ethne nur wiederholen konnte:
„Tja, wie soll das mal funktionieren. Jedenfalls habe ich dir diese Neuigkeit nur deshalb bereits heute anvertraut, damit du nicht erst nach deinen Ferien von Chlodwig selbst erfährst, dass er inzwischen Kronprinz ist.“
„Was? Das betrifft auch ihn? Der Floh, ein Kronprinz?“, kam es so entsetzt von Waldur, dass Ethne lachen musste, bevor sie ihm bestätigte:
„Ja, mein Lieber, dein Blutsbruder wird in drei Wochen zum Kronprinz der salischen Franken ernannt. So jung und unerfahren er auch ist, und später wird er den Merowingerthron einnehmen.“
Darüber konnte Waldur nur sprachlos den Kopf schütteln, denn er bekam Chlodwigs stattlichen Vater mit seinem beeindruckenden blonden Königsbart und dieser majestätischen Haltung vor Augen. Und trotzdem Ethne ihm verdeutlichte, dass Chlodwig nach seiner Ritterausbildung ein völlig anderes Bild abgeben wird als heute, brachte er, noch immer kopfschüttelnd, hervor:„Nee, Ethne, nee, den Floh kann ich mir mal nicht als Merowinger vorstellen, beim besten Willen nicht.“
„Wird schon noch kommen“, redete sie ihm zu, wenngleich sie seine Auffassung teilte. Allerdings aus druidischer Sicht, weshalb sie ihre Meinung für sich behalten musste.

Kapitel 4
Ab Frühjahr 481
    S echzehn Monde später, kurz nach Ostern, hatten schließlich alle Schüler in Tournai ihre Abschlussprüfungen bestanden. Damit waren sie Junker und durften fortan den fesch mit geschwungenen Fasanenfedern geschmückten Junkerhut tragen. Das taten sie auch voller Stolz, gleich am ersten Abend, als sie in einem Tournaier Weingarten ausgiebig ihren erfolgreichen Schulabschluss feierten. Jetzt waren sie Männer! Zumindest hielten sie sich dafür und versuchten, diese vermeintliche Tatsache mit lauten, rauen Stimmen, mit Trinkfestigkeit, Aufknallen ihrer Weinkrüge und vorwiegend mit reichlich ausgeschmückten Weibergeschichten zu demonstrieren - die fünfzehn- bis sechzehnjährigen Junker.
Am nächsten, nein, dem hinein gefeierten Tag, hatten sie dann bis zum Nachmittag Zeit, ihre weinrauschigen Schädel nüchtern zu schlafen.

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