Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
Sonnenaufgang vor der Hauptkirche, richtete ihm einige Zeit später der zurückgekehrte Kurier aus.
Chrodegilde und Chlodwig fassten es nicht - hatte Waldur doch seinen Verstand verloren?
Eine ausgiebige Nachtruhe in einem Gasthof nahe der Stadt verlieh Waldur ein wenig Schmerzlinderung, und am nächsten Morgen, es war ein kalter, klarer Lenzingmorgen, schöpfte er zusätzlich durch eine Meditation Kraft für seine Begegnung mit Chlodwig. Anschließend richtete er sich auch äußerlich sorgfältig dafür her. Als Zeichen friedlichen Entgegenkommens hatte er seine weiße Fürstenrobe gewählt und legte sich am Schluss einen Weißfuchsumhang über seine breiten Schultern. Bevor er jedoch die Logisstube verließ, holte er aus seinem Schmuckbeutel König Childerichs wunderschönen Runenring hervor und steckte ihn sich an den linken Ringfinger. Draußen bestieg er den Schimmel, und wenig später ritt er in seiner leger aufrechten Haltung durch das Stadttor in Soissons ein.
Zur abgemachten Zeit stand er vor der Hauptkirche.
Chlodwig ließ ihn warten und warten. Unterdessen wagten sich unzählige Schaulustige auf den Kirchplatz, drückten sich jedoch am Rand des Platzes an die Häuser und schielten, ängstlich miteinander tuschelnd, zu dem gefährlichen, mächtigen und so prächtig auf seinem Schimmel sitzenden Alemannenfürsten hin, dessen gestrige Ankunft in Soissons das Tagesgespräch gewesen war.
Endlich wurde vom Schloss her Hufschlag vernehmlich. Waldur schreckte zusammen, doch ein Stoßgebet verlieh ihm wieder Ruhe.
Wie der Reitertross - das Königspaar, flankiert von zwei Rittern und gefolgt von einem Dutzend Gardisten - näher kam, vernahm er das Klirren von Eisenketten. Er hörte weg. Kurz drauf entdeckte er Chlodwig. In vornehmem Königsblau saß er klein und zackig wie seit je auf einem Falben. Waldur behielt ihn im Blick, Chlodwig dagegen schaute nicht ein einziges Mal zu ihm.
Die Reiterschar erreichte den Kirchplatz, baute sich schweigend im Halbbogen vor ihm auf, das Königspaar in der Mitte, knappe drei Pferdelängen vor Waldur. - Waldur und Chlodwig, die zwei derzeit maßgeblichsten Herrscher im Keltenreich, standen sich gegenüber.
Plötzlich sah Chlodwig zu Waldur hoch, öffnete bereits die Lippen zum Festnahmebefehl, doch der Anblick seines früheren Freundes blockierte ihm die Sprache. Waldur hielt seinen Blick fest, sah tief mit seinen Phosphoraugen in die seinen, unentwegt.
Das beunruhigte Chrodegilde, sie stieß Chlodwig mit ihrer Reitgerte an, und wie der nicht darauf reagierte, neben sich den Ritter. Der sah fragend zu Chlodwig, doch von Chlodwig kam noch immer nichts. Darauf trippelte sie mit ihrem kleinen Rappen etwas vor, und mit einem Mal platzte sie in die Stille: „Germane! Heide! Seht euch an, wie er versucht, euren König einzuschüchtern. Los, Ritter, nehmt ihn fest!“
Jetzt nickte Chlodwig. Die zwei Ritter setzten sich in Bewegung, doch Waldur unterbrach ihr Vorhaben mit dem Ausruf: „Auf ein Wort, Chlodwig!“
Der stimmte zu. Darauf ritt Waldur langsam zu ihm vor, und als sich ihre Reitstiefel fast berührten, hielt er Chlodwig seine Hand mit dem goldfunkelnden Runenring unter die Augen. Chlodwig erstarrte, sah nur den Ring, bis plötzlich wieder dieses wirre machende Feuer in ihm hoch stob, ihm Blitze aus dem Schädel jagte und er, nur mit Mühe noch bei Sinnen, wissen wollte: „Seit wann und von wem hast du ihn?“
„Von deiner Mutter.“ Waldur sprach ganz ruhig. „Sie hat ihn mir kurz nach dem Tod deines Vaters anvertraut.“
Daher Waldurs Macht, zackte es Chlodwig durch den Kopf, jene göttliche Macht, die nur einem Merowinger gebühre. Er wollte sich vergewissern: „Der Ring ist doch magisch, oui?“
„Mehr, als der deiner Gemahlin. Er verleiht seinem Träger, sofern dieser friedvoll ist, hohes Ansehen, wie einst deinem Vater.“
Wie einst meinem Vater, wiederholte Chlodwig innerlich und forderte dann mit flackerndem Blick: „Rechtmäßig gehört er mir, also gib ihn her.“
„Bitte, nimm ihn dir.“
Chlodwig fasste hastig nach dem dargebotenem Ring, bekam ihn aber nicht von Waldurs Finger, und wie er an ihm zerren wollte, stachen ihm spitze Funken in die Hand. „Was machst du?“, zuckte er zurück, „und wieso geht er nicht ab?“
„Liegt alles an dir“, lächelte Waldur, „dein Vater hat uns doch erklärt, dass dies Friedensrunen sind, die gegen jede Gewalt aufbegehren.“
„Stimmt, hat er gesagt. Dann nimm du ihn ab und gib ihn mir.“
Waldur streifte den Ring
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