Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
sie es, die für den Gedeih des Ackergutes sorgen. Aber nicht nur diese Alben oder Naturwesen sind der Bauern wertvollsten Helfer, auch die in den Gärten und Wiesen, denn je sorgsamer diese Ätherwesen ihre jeweiligen Pflanzen umhegen, je mehr Äther- also Lebenskraft sie ihnen spenden, desto üppiger der Gedeih.
Nun, in drei Wochen, stets zum ersten Neumond im Gilbhart, des Sternbildes Skorpion, begehen wir die End-, die Totennacht, wobei wir die Natur unterstützen, ihren Winterschlaf zu finden. Oben in den kalten Nordländern wird dazu ein Spektakel veranstaltet, das Halloween, um die bereits lauernden Wintergeister zu verschrecken, wir dagegen wenden uns einzig den Pflanzenalben zu. Schweigend verteilen wir in jener Nacht unsere Nevelinge, die spiralförmigen Wachskerzen, auf die Böden der Gärten, Parks und auf die abgemähten Wiesen, damit die Pflanzenalben durch den spiral nach unten führenden Verlauf der Flammen tief ins Erdreich gelockt werden, wo sie letztendlich in Schlaf sinken.
Nach unserem Naturkalender klingt mit diesem Akt das alte Jahr aus. Es folgt die Zeit ‚zwischen den Jahren.’ Eine Schaffenspause, eine Ruhe- und Besinnungsphase. So kehren auch wir Menschen in uns, wir suchen unseren Seelenfrieden. Tag um Tag vergeht, und bald gesellt sich zu unserer Beschaulichkeit eine sich steigernde Erwartungsfreude, ausgelöst vom Advent, der uns die nahende Sonnenwende kündet und mit ihr das wieder zunehmende Licht. Mit jeder Kerze, die wir nun an unserem immergrünen Adventskranz, dem Ad-Wende-Kranz, mehr anstecken, wird es auch in uns selbst zunehmend heller und wärmer.
Dann das große Ereignis - die Wintersonnenwende. Am Tag des Winterbeginns kehrt die Sonne ihrem Abwärtslauf den Rücken und betritt wieder ihre Aufwärtsbahn, wodurch die Nächte nun wieder kürzer und die Tage länger werden. Mittwinter wird dieses Fest auch genannt, da es mitten in die dunkle Jahreshälfte fällt. Alles in uns ist an diesem Freudentag der Gottheit Sol zugewandt, und damit auch die schlafende Erde die heilbringenden Sonnwendstrahlen in sich aufnimmt, entzünden wir überall Feuer und rollen zudem unsere in Brand gesetzten Adventskränze über die Äcker. Jedoch ist die Wintersonnenwende erst der Auftakt zu dem segensreichsten, dem heiligsten aller Feste, den sich unmittelbar anschließenden Weihenächten, während derer wir die Antwort auf unsere Suche nach Seelenfrieden finden - zumindest finden können. Denn in der Weihezeit tut sich für alle Menschen der Welt weit der Götterhimmel auf und überströmt uns wie ein Goldregen mit seiner Liebe und seinem Frieden.
Während alledem schlummern die Alben geborgen im Schoß von Mutter Erde. Doch nicht mehr lange, bereits zu Beginn des regenerierenden Hartungs, der Wassermannzeit, recken und strecken sich die ersten, die fleißigen Erdweiblein und -männchen, und wenn die sich ihren Schlaf aus den Augen gerieben haben, schauen sie sich beflissen in ihrem Reich um, wobei sie entdecken: ‚Alles schläft noch - Schande! Selbst die Busch- und die langen Baumfaune. - Los, wecken wir die Kerle!’ Das tun sie dann auch. Reihum huschen sie von dem Eichen- zum Ulmenfaun und zu allen anderen ihres Gebietes: ‚Aufstehen, auf, auf, du Faulpelz!’, rufen sie sie an, oder: ‚He du, deine Kirschbäume verdörren!’
Knurrend und gähnend erwachen die Faune, bedanken sich jedoch bei den aufmerksamen Zwergen und begeben sich an ihr Werk. Der Eichenfaun regt all die Eichen, die unter seinem Schutz stehen, an, sich mit ihren Wurzeln frischen Lebenssaft heranzusaugen, der Ulmenfaun seine Ulmen und auch alle anderen Faune ihre jeweiligen Bäume oder Sträucher.
Doch so leise diese ersten Vorbereitungen auch vonstatten gehen, die frostigen Winteralben bemerken sie dennoch, und ihnen wird klar - bald müssen sie das Feld räumen. Deshalb gebärden sie sich grimmiger denn je, bis wir ihnen in den Vasnächten mit unseren Schreckensmaskeraden und einem Krawall wie beim nordischen Halloween energisch Beine machen.
Ihr wisst, dass mit den Vasnächten bereits die Wege für den Einzug des neuen Jahres bereinigt werden, wobei wir den wahren Jahresbeginn erst zusammen mit Frühlingsanfang feiern, mit Beginn des Lenzings, des Sternbildes Widder. An diesem fröhlichen Neujahrstag bereiten wir dem luftigen Jüngling Lenz auf all unseren Festwiesen einen herzlichen Empfang.
Dann, zwischen einem Tag und vier Wochen nach Jahresbeginn, erleben wir den ersten Frühlingsvollmond, und da lernen wir Luna
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