Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
von ihrer bezauberndsten Seite kennen, nämlich als Braut, die sich auf ihre österliche Hochzeit mit Sonnengott Sol vorbereitet. Wir alle fühlen es, Luna löst ein Putzbedürfnis in uns aus, und so bereiten auch wir uns und unser Heim auf Ostern vor. Wir befinden uns in der Kar-, der Auskehrzeit. Die Frauen betreiben eifrig Osterputz, sie schrubben das Haus bis in die letzten Winkel sauber, die Männer bringen Scheuer und Stall auf Vordermann, und alle nehmen wir in dieser Zeit karge, entschlackende Nahrung zu uns. Darüber hinaus säubern wir unser Gemüt, indem wir schädliche Genüsse und sogar die Sexualität meiden. Ist dann alles gereinigt, so werden Haus, Hof und Garten geschmückt mit fröhlich bunten Flatterbändern, allerlei Kunstblumen und bemalten Eierhüllen, denn wir wollen ja, wie Luna, den Sonnenbräutigam nicht nur gründlich aus-, sondern auch hübsch herausgeputzt empfangen. Aber nicht nur Luna, auch Ostera, Freyja und Donar regen uns zu diesem Bereitmachen für Ostern an, sie verleihen allen Erdbewohnern während der letzten drei Tage vor Ostern besondere Reinheit und nachhaltige Fruchtbarkeit. Das wird uns besonders an den Ostereiern deutlich, an jenen Eiern, die unsere Hennen am Gründonnerstag legen. Ihr wisst, wie heilkräftig diese Eier sind, dass sie niemals faulen und, selbst wenn sie Wochen alt sind, noch immer frischer und leckerer munden als jedes andere Ei.
In aller Frühe des nächsten Tages, des Frohen Freyjatages, dekorieren sodann von Priesterinnen ausgewählte Jungfern alle Stadt- und Dorfbrunnen mit grün knospenden Zweigen. Das erhöht die Reinheit und Heilkraft, die jedes Quellwasser jetzt von den beiden weiblichen Gottheiten Freyja und Ostera empfängt. Und wehe, ein männliches Wesen wagt sich an diesem und am nächsten Tag auch nur auf drei Schritt an die Brunnen heran - es wird wütend von den bewachenden Jungfern davongejagt, denn bereits ein männlicher Blick könnte das Wasser ja verunreinigen!“
Bei dem letzten Satz hatte Ekkehart seinen Blick herausfordernd auf die Schülerinnen gerichtet, und die reagierten auch darauf: „Nur, weil ihr Mannsleut dann immer so respektlos seid“, stellte Gunhild aufgebracht klar, und dann begehrte sogar die scheue Brigit auf:
„Das ganze Jahr stellen sie einem nicht so nach, wie ausgerechnet an diesen Tagen.“
Darauf grinsten die Junker schuldbewusst, und Ekkehart beschwichtigte die Schülerinnen schmunzelnd: „Nehmt das nicht so ernst, die Burschen foppen die so keusch dastehenden Brunnenjungfern nun mal gerne, mehr steckt doch da nicht hinter.
Aber zurück zum Osterfest. In der Nacht zum Sonntagmorgen beschreiten wir, schweigend auf uns selbst besonnen, mit brennenden Fackeln die Festwiesen, wo wir uns um die aufgeschichteten Scheiterhaufen scharen. Nie ist dann die Natur so still, so fühlbar still wie in den nächsten Minuten. Am Ostrand des Festplatzes kniet währenddem in tiefer Versenkung die leitende Priesterin. Mit einem Mal, mit dem nahenden Sonnenaufgang, wird sie erfüllt von einem zunehmenden Licht. ‚Sol . . Sol . .’, hören wir sie leise, doch dann lauter und lauter intonieren, wobei sie sich langsam erhebt. Bald steht sie aufrecht da, weit die Arme ausgebreitet, ‚Sol, Sol, Sol . . ‘ , und jetzt gewahren wir die ersten goldroten Sonnenstrahlen am Horizont, und die erfüllen uns augenblicklich mit heller Freude. Mit uns erwacht in diesem Moment die gesamte Natur zu neuem Leben. Jetzt singen wir mit der Priesterin die Auferstehungsode und werfen dabei in hohen Bögen unsere brennenden Fackeln in den Scheiterhaufen, der darauf hell aufflackert. Erhebend dann zu beobachten, wie es auch auf den anderen Festplätzen singt und strahlt - überall die Auferstehungsfreude, der Beginn neuen Lebens.
Am Ostersonntag und -montag feiern Sonne und Mond am Himmel Hochzeit, und die Erde wie unsere Herzen sind der empfangende Schoß.
Trotzdem der Jahresbeginn mit dem Frühlingsanfang zusammenfällt, feiern ihn doch einzelne Sippenstämme zusammen mit Ostern. Durchaus verständlich, denn da wird ja alles, alles mit neuem Leben durchdrungen. Auch die Naturgeister, wobei sich allerdings die Pflanzenalben noch immer tief unten bei den Erdzwergen aufhalten.
In der darauf folgenden Vollmondnacht, ist es dann soweit, all die fleißigen Pflanzengeister zu uns hoch zu locken - die Feldmuhmen, die knorrigen Faune und die vielen farbenfrohen Blumenelfen. Um ihnen den Weg zu uns nach oben zu weisen, bereiten wir ihnen das Walpurgisfest,
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