Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
vorbrachte, und so sehr er sie zu erheitern versuchte, es geriet nicht das winzigste Lächeln in ihr betrübtes Gesicht. Deshalb schlug er ihr nach einer Weile vor: „Komm, Uta, wir rudern rüber zum Palast, dort gibt es bald Mittagessen. Und ich sorge dafür, dass du meine Tischdame wirst.“
„Danke, das ist sehr nett von dir.“
Sie umschritten im weiten Bogen den Tanzplatz. Als sie jedoch das Ufer erreichten, stießen sie auf eine aufgeregte Menschenansammlung. Was war da los? Sich durch die Menge etwas nach vorne schiebend, entdeckten sie es - im Wasser schwamm eine etwa zwölfjährige Maid, die sich mit beiden Händen an einem Holzpflock festhielt, und Hilibrand watete mit großen Schritten zu ihr hin. Offensichtlich war der Verunglückten nichts Ernstes passiert, weshalb Waldur über das reizvolle Bild lächelte, das die Maid bot - den Kopf von einer hell schillernden Haarpracht umspielt, schaukelte sie wie eine Meerjungfrau im Wasser. Nun stutzte er über ihr ungewöhnliches Haar.„Das ist doch eine von Meister Eriks Töchtern, gell?“, fragte er neben sich eine Frau, was sie ihm bestätigte:
„Ei klar, die Siglind ist doch das, seine Jüngste.“
Hilibrand hatte sie inzwischen erreicht, fischte sie heraus und trug die Wassertriefende zum Ufer, wo sie sogleich von etlichen Armen entgegengenommen wurde. Die Frauen rubbelten ihr Hände, Gesicht und Haar trocken und packten sie dann dick in Felle ein. In dem Moment kamen ihre Eltern, Ortrud und Erik, herbei.
„Was machst du nur für Sachen, Siglind?“, fragte aufgeregt Ortrud, während Erik sie in ihrer Fellverpackung hochnahm.
Dann eilten sie mit ihr zum nächsten Bootssteg, und als sie an Waldur vorbeikamen, rief Siglind ihn erfreut an: „Da bist du ja, Junker Waldur! Ich muss dir doch was sagen.“
Erik blieb kurz stehen, während Siglind Waldur fragte: „Kommst du heute Abend in die Tempelhalle? Ja? Da spiele ich Flöte, ich werde doch mal Tempelmusikantin.“
„Da spielst du Flöte? Freilich werde ich kommen“, versprach er ihr, „und danke für die Einladung, du liebliche Mainnixe.“
Über diese Bezeichnung musste sie kichern, was sie so herzig tat, dass es Uta ein leises Lachen entlockte.
U tas Eltern waren mit ihr noch über die Weihnachtstage geblieben, um sich ein umfassendes Bild von der Schule zu verschaffen. Angemeldet hatten sie sie dann nicht, sie brauchten noch Bedenkzeit. All dies schilderte Waldur Chlodwig in einem ausführlichen Brief, in der Hoffnung, damit etwas Licht in seinem trauenden Gemüt zu entzünden.
Doch offenbar war Chlodwig für nette Anregungen noch nicht aufnahmebereit, denn drei Wochen später erhielt Waldur von ihm über einen Boten nur die knappe Mitteilung, er bedürfe jetzt nichts als Ruhe, uneingeschränkte Ruhe. Waldur verstand dieses Verlangen, zumal er wusste, wie sehr Chlodwig an seinem Vater gehangen und wie hoch er sein Wirken als Merowinger geschätzt hatte. Deshalb wird Chlodwig wohl in der Geborgenheit seiner Familie seinen Schmerz am ehesten überwinden, dachte Waldur, und sandte ihm, außer im Hartung einen kurzen Glückwunsch zu seinem siebzehnten Geburtstag, nicht einen Brief mehr.
Chlodwig kapselte sich ab. Nicht alleine gegen Waldur, auch gegen das alemannische Fürstenpaar, gegen Ethne, die Prinzessin und Hilibrand, deren freundliche Besuchsangebote er samt und sonders zurückgewiesen hatte.
„Lasst ihn erst mal zu sich finden“, hatte die Fürstin zunächst verständnisvoll empfohlen. Doch als im Hornung das Wintermanöver der Junker vorüber war und Chlodwig noch immer nicht in Frowang erschien, machte auch sie sich Sorgen. Und Waldur nicht minder. Denn in seiner Schulklasse konnte Chlodwig jetzt nicht mehr bleiben, er muss zurückversetzt werden, und dazu wäre er wohl kaum bereit. So verschlangen sich nun erschreckende Gedanken in Waldurs Kopf - will Chlodwig seine Ausbildung etwa abbrechen?
Diese Befürchtung hegte länger schon Königin Basina und ließ deshalb das alemannische Fürstenhaus jetzt über einen Boten um Hilfe bitten, mit der Erklärung, sie habe keinen Einfluss mehr auf Chlodwig, da er sich gegen jedes vernünftige Wort von ihr sperre.
Gut und schön, überlegte darauf das alemannische Fürstenpaar, wie aber soll diese Hilfe aussehen? Wie könnte man an Chlodwig herangeraten? Nur durch Waldur, meinte schließlich die Fürstin und schlug ihrem Bruder vor, Waldur solle nach Tournai reiten, dort vorab mit Basina sprechen und sich anschließend bei Chlodwig melden lassen.
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