Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
entgegen rief: „Hallo, mein braungebrannter Neffe, siehst ja aus, als kämst du von einer Erholungsreise!“
„Wäre auch nicht mein Sohn“, lachte stolz der Fürst, und als er ihn erreicht hatte, umarmte er ihn kräftig.
Danach drückte ihn auch die Fürstin an sich, schob ihn jedoch gleich drauf zurück und hieß ihn mit strenger Stimme: „Jetzt flitz rauf und mach dich frisch, in einer Stunde bist du dann bei uns im Schlosshof. - Hast du Virgina angetroffen? Und Odoaker, was hat Odoaker zu meinem Schreiben gesagt? Meine Güte, wie lang dein Haar wieder ist, hängt dir ja bis ins Kreuz! Solltest dir endlich einen modernen Haarschnitt zulegen, nimm dir ein Beispiel an Hilibrand, wie adrett der sich immer pflegt. - Und jetzt endlich ab mit dir!“
„Ja, Tantchen, ich flitz ja schon.“
S auber hergerichtet, sein Haar wieder ordentlich im Nacken zusammen gebunden und auch seine widerspenstige Stirnlocke nass und platsch nach hinten gekämmt, damit ja seine Tante nichts zu nörgeln hat, erschien Waldur jetzt im Schlosshof. Ethne und das Fürstenpaar saßen bereits auf den Gartenstühlen vor Apfelwein und brennenden Talglampen.
„Willkommen, mein Bruderlieb!“, empfing nun auch Ethne ihren Waldur, und nachdem er ihren Gruß erwidert und neben ihr Platz genommen hatte, zog sie seinen Blondschopf zu sich, um ihm ein Küsschen auf die Nasenspitze zu stippsen. Darüber lächelte er, die Fürstin dagegen frotzelte Ethne:
„Verzärtle ihn nicht so, willst doch ’nen Ritter aus ihm machen!“ Dann wandte sie sich zu Waldur: „Und jetzt erzähl uns, du Weltenbummler.“
„Erst die abgehakte Besucherliste zurück“, sagte er und reichte sie Ethne: „Schau sie dir genau an, ich habe nichts und niemanden ausgelassen, war sogar in mehr Tempeln und Kirchen, als ich sollte, besonders in Mailand. Also, Mailand ist ja ein Traum - ein wahrer Traum, diese Architektur dort und diese verschwenderische Blütenpracht überall . . . “
Sie hörten ihm teils interessiert, teils verständnisvoll lächelnd zu.
Es wurde spät, bis sich die beiden Frauen zurückzogen, um Vater und Sohn noch ein wenig alleine zu lassen.
Und kaum waren sie in der Palasttür verschwunden, begann der Fürst auch schon, Waldur einiges über seine bevorstehende Nordreise preiszugeben: „In vier Tagen geht es weiter für dich. Rauf in das Gletscherland Skandinavien. Doch zu deinem Glück liegt dein nördlichstes Ziel nicht mal in halber Höhe des Landes, Icefjord, eine kleine Siedlung an der Westküste.“
„Woher weißt du das so genau?“, wunderte sich Waldur, worauf ihm der Fürst verschmitzt gestand:
„Ich weiß doch, wo Ethne deinen Reiseplan liegen hat.“
„Gauner, du“, lachte Waldur, wogegen sich der Fürst mit gespielt beleidigtem Gesicht verteidigte:
„Gauner! Habe ich schließlich für dich getan, da mal reinzulinsen. Aber jetzt hör zu: Vom Trondheimer Hafen aus musst du zunächst rauf zu dieser kleinen Küstensiedlung. Dann wird’s Hart für dich, Junge, äußerst hart. Und da will und darf ich dir keine Tipps für geben, trotzdem ich als Junker in Schottland eine ähnliche Strecke habe bewältigen müssen. Von Icefjord aus musst du nämlich rüber an die Ostküste nach Gundholm, quer durch das Schneegebirge mit all seinen Tücken, Gefahren und Schikanen. Mehr will ich dir dazu nicht sagen. Bist du aber erstmal drüben an der breiten Ostküste, dem Nordsvebenland, dann hast du deine Bewährung so gut wie geschafft. Du musst dann nur noch nach Stockholm zu dem nordsvebischen Fürstenpaar, und bei dem hältst du dich, wie ich dich kenne, bestimmt etwas länger auf.“
Waldur stutzte: „Sag, Vater, habt Mutti und du mich nicht mal zu diesem Fürstenpaar mitgenommen? Wohnen die nicht in so einem Baum umwachsenen Nebengebäude des Palastes und haben einen riesigen Kamin mitten in der Stube?“
„Stimmt genau“, staunte der Fürst, „und daran erinnerst du dich noch? Du warst doch damals höchstens vier, denn Arno war ja noch nicht geboren. Hach, und jetzt wirst du schon neunzehn! Sieh bloß zu, Waldur, dass du die Seereise nach Trondheim bis zu deinem Geburtstag hinter dich bringst, denn vorher musst du noch die Fürsten zweier Svebenstämme aufsuchen. Halte dich also nicht länger als nötig bei ihnen auf.“
„Ich werde tun, was ich kann.“
Nun horchten beide auf, von Weitem erklang das Mitternachtslied des Stadtsängers.
„Jetzt aber Schluss für heute“, entschied darauf der Fürst, und während sie durch den Hofgarten auf den
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