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Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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Palast zugingen versprach er Waldur, ihm in den drei nächsten Tagen noch ausführlich von Skandinavien zu erzählen, von diesem rauen Land, in dessen kuscheligen Holzhäusern es sich jedoch gerade im Winter so wohlig leben ließ.

Kapitel 8
Ab Julmond 485
    „L ang zu, Jüngelchen, genier dich nicht, lang zu“, forderte Yanna, Waldurs Wirtin, ihn auf, „bei uns in Norwegen muss man sich ordentlich Speck anfuttern, so wie ich“, sie klatschte sich lachend auf ihr dralles Bäuchlein.
Waldur hatte seine Freude an der gut sechzigjährigen, molligen, plapperfreudigen Yanna, die ihm und Scalla allen Komfort zukommen ließ, der ihr Blockhaus zu bieten hatte.
Als er kurz vor den Weihenächten nach einer unerwartet hindernisreichen und sich demgemäß lange hinziehenden Segelfahrt endlich das Schiff verlassen konnte, war er auf seines Vaters Rat nicht nach Trondheim geritten, sondern hatte sich nördlich der Stadt in einer Fischersiedlung nach einer vorübergehenden Unterkunft umgesehen. Und sie bei den für ihre Gastfreundlichkeit bekannten Skandinaviern auch mühelos gefunden. Yanna hatte ihn durch den dicken Schneefall in die Siedlung einreiten sehen und ihn sogleich in ihr Holzhäuschen gebeten: „Kommt rein zu mir, du und dein Pferd, wärmt euch auf bei mir. Kommst vom Schiff, wie? Ja, sehe ich euch an. War wohl �ne raue Seereise. Aber bei mir werdet ihr jetzt aufgepäppelt, du und dein Pferd.“
Inzwischen seit über zwei Wochen in ihrem Haus, waren sie aufgepäppelt. Denn Scalla hatte von dem hiesigen aromatischen Heu nie genug bekommen können, und Waldur nie genug von Yannas stets anders zubereiteten Fischgerichten und auch nicht von ihrem Holzverschlag hinter dem Haus, in dem er fast täglich ein Dampfbad genossen hatte. Skandinavien begann, ihm zu gefallen. Einzig an die hiesige Dauerfinsternis konnte er sich nicht gewöhnen. Bis auf die Mittagsstunden herrschte hier unentwegte Finsternis, sodass man die Tage kaum von den Nächten unterscheiden konnte.
„Ist ungewohnt für euch Südländer, aber das ändert sich jetzt zusehends, Jüngelchen“, hatte Yanna ihn kurz nach seiner Ankunft aufgeklärt, „die Sonne beglückt uns jetzt jeden Tag etwas länger, wirst es erleben.“
Yanna machte ihn in jeglicher Hinsicht mit dem hiesigen Leben vertraut und bereitete ihn auch in anschaulicher Weise auf die Gegebenheiten vor, die ihn auf seiner weiteren Reise noch erwarten werden. Auf die tosenden Sturmalben, die oft ganze Bäume und sogar Hausdächer mit sich rissen, „und dann erst diese baumlangen Frostriesen, die glotzen dich so grimmig an, dass du nicht weißt, ob dir vor Furcht oder Kälte die Zähne so klappern. Aber die tun dir nichts, können die gar nicht, die glotzen nur so. Wirst du alles erleben. Und im Landesinneren streichen zu allem Überfluss noch Wolfsrudel rum, bestialisch können die sein, sage ich dir, besonders zur Neumondzeit. Deshalb sind jetzt auch alle Bergsiedlungen ringsum mit einem hohen Bretterwall geschützt, weil nämlich im Winter die Rudel auch Menschen anfallen. Und wenn du mal in so eine Siedlung rein musst, dann musst du an dem Walltor ordentlich Krawall schlagen, damit man dich da drinnen auch hört, verstehst du? - Du musst dir Butter in den Tee machen“, sie schob ihm den Butternapf und einen Löffel hin, „jetzt verzieh nicht dein Gesicht, das schmeckt, Jüngelchen, das schmeckt! Und nicht zu vergessen die vielen Schneealben, den reinsten Unfug treiben die oft hier oben in Skandinavien. Regelrechte Schneegebirge bauen die oft und prusten sie dann womöglich wieder hoch in die Luft, nur so aus Spielerei, oder sie verschütten auch schon mal eine ganze Siedlung mit Schnee, auch nur so aus Spielerei, die meinen es ja nicht bös, aber unangenehm ist das für die betroffenen Siedler dann schon. Wirst du alles erleben, Jüngelchen, glaub’s mir.“
Waldur konnte nie ausmachen, wann Yannas Schilderungen in Fantasie übergingen, weshalb ihm mitunter ein Schauer über den Rücken rieselte. Wirklich abschrecken taten ihn diese Berichte allerdings nicht, denn er mochte sich zwar nie als Held hervortun, ernsten Gefahren hingegen war er seit jeher wagemutig entgegengetreten.
Am Morgen seines Abreisetags musste Yanna ihn dann wachrütteln, da ihm entgangen war, dass die Nacht bereits aufgehört und der Tag begonnen hatte. Das Wetter war klar, als er den hölzernen Fensterladen einen Spalt öffnete, sah er die Sterne am Himmel blinken, und es kam ihm ein eisiger Luftzug entgegen.

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