Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
Ausgezeichnet zum Reiten, freute er sich und machte sich reisefertig.
Als er anschließend mit Yanna seinen Scalla bepackte, kündete sie ihm an:„In den nächsten Tagen wird Schneesturm aufkommen, richte dich darauf ein. Ein rassiger Hengst ist dein Scalla, kraftvoll und doch feinnervig, allerdings ziemlich eigen. Aber das bist du ja auch.“
„Ich? Eigen?“, entrüstete er sich, worauf sie über sein pikiertes Gesicht lachte.
Dann strich sie ihm versöhnlich über sein zottelhaariges Schafsfellwams:„Stimmt schon, was man sagt, Jüngelchen, Pferd und Reiter weisen immer den gleichen Charakter auf.“
„Aber nicht in allem“, betonte er und stieg in den Sattel.
Sie musste ein erneutes Lachen unterdrücken und deutete dann auf eine seiner Satteltaschen: „Ich habe dir da sechs Kirschkern-, Wärmesäckchen, reingepackt. Auch eine große Dose Robbenfett für dein Gesicht, außerdem kannst du mit diesem Fett notfalls auch deinem Scalla die Unterbeine einreiben, das wärmt und stärkt die Muskeln. Und hier ist eine Dachsfellmütze“, sie reichte ihm eine schicke schwarz-weiße Pelzmütze hoch, „die habe ich dir gestern bei unserem Kürschner besorgt. Na, nimm sie schon!“
„Die kann ich doch nicht . . “
„Musst du sogar annehmen, ist ein Gastgeschenk. Und sieh dich draußen um, hier trägt jetzt jeder Mann eine Pelzmütze auf dem Kopf, nur ist keine so schmuck wie diese hier. Nun setz sie schon auf, Jüngelchen. - Na, also. Siehst du, sie passt, und die steht dir, die steht dir! Aber jetzt ab mit dir, raus hier, deinem Hengst jucken ja schon alle Muskeln. In sechs Tagen bist du in Icefjord, schneller geht’s nicht, weil sich der Weg dorthin um etliche hohe Felsen schlängeln muss. Siedlungen, in denen du übernachten kannst, findest du unterwegs ausreichend. Und jetzt gute Reise!“
„Vielen Dank auch für alles, und ade!“, grüßte er freundlich zurück, während er nach draußen ritt.
Sie ging noch ein paar Schritte hinter ihm her und winkte ihm solange nach, bis er zur Landstraße abbog.
D ort nahm er sich die Mütze sofort wieder vom Kopf und stopfte sie in eine Tasche. Ist ja lieb gemeint von ihr, dachte er, ist wirklich lieb gemeint - aber ein Junker mit Mütze!
Sie blieb auch weiterhin in der Tasche, obschon ihm hier kaum mal jemand begegnete und ihm nach einiger Zeit fast die Ohren abfroren.
Scalla kam über die weiche Schneedecke erfreulich flott voran, besonders in den Mittagsstunden, in denen die Sonne ihren roten Kopf bereits ein erhebliches Stück über den Horizont streckte und ihnen streckenweise die schmale Straße ausleuchtete. Aber einsam war es hier, gerade jetzt im Winter, er musste meist stundenlang reiten, ehe er in eine aus vielleicht fünf oder sechs winzigen Fischerhäusern bestehende Siedlung gelangte. Wie hielten die Menschen das nur aus?. Doch sein Vater hatte ihm dazu gesagt, wenn hier im Winter der Schnee bis zu den Hausdächern reiche und Tag und Nacht der Sturm heule, dann rückten die Menschen dicht zusammen. Tagsüber verrichteten sie dann nur das Nötigste und bereits ab Nachmittag besuchten sie einander. Dann säßen stets mehrere Familien beisammen und erzählten sich am Feuer alte Sagen oder ausgeschmückte Göttergeschichten, bisweilen auch wahre Begebenheiten, und das sei so gemütlich, anregend oder aber besinnlich, dass man alles draußen vergesse. Kein Nordländer, der nicht mitreißend erzählen könne. Für Waldur war das eine verlockende Vorstellung, doch momentan musste er zusehen, bei dem noch sturmfreien Wetter möglichst noch rascher vorwärts zu kommen.
Das klare Wetter hatte sich gehalten, doch am sechsten Tag begann es nachmittags durch die Berge zu rauschen, immer gewaltiger, die Vorhut des befürchteten Schneesturms. Deshalb trieb Waldur Scalla ordentlich an:‚Noch flinker, Scalla - ja, und nicht nachlassen!’ Der eilte auch kräftig drauf los, und Waldur redete unablässig auf ihn ein: ‚Gut, Scalla, gut machst du das. Wir Zwei schaffen das. Witterst du schon den Schornsteinrauch? Der kommt von Icefjord. Wollen doch mal sehen, wer eher dort ist, der Schneesturm oder wir!’
Sie trafen gerade noch vor dem Unwetter ein, in der flachen, wie aus dem Erdboden gewachsenen Elfhäusersiedlung, wo sogleich die Siedler aus ihren Riesendachhäusern geeilt kamen.
„Seht mal, wen uns der Wind da angeweht hat!“
„Wo kommst du denn her?“, riefen und fragten sie aufgeregt durcheinander.
Sie holten Waldur von seinem schnaufenden Hengst und schüttelten
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