Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
kommen, angeheizt. Er wollte und musste die bisher ausgezeichneten Reisebedingungen nutzen, wer weiß, wie lange sie anhielten. Auch von der urgewaltigen Schneelandschaft, durch die nur selten der Ruf eines Waldtieres drang, ließ er sich nicht ablenken, er musste weiter-, nichts als weiterkommen. Der Himmel war klarblau, und es war windstill. Ein aufkommender Wind könnte ihnen zwar dienlich, doch ebenso ihr erbittertster Feind werden, je nach Richtung, in der er ihre Witterung den Wölfen, die sie von Anfang an in weiten Bögen umkreisten, zutrage.
Mit den Schlittenhunden hatte Waldur allerdings seine Schwierigkeiten. Wegen des Geruchselixiers, das bereits durch das geschlossene Holzfass seinen penetranten Fäulnisgestank verbreitete und somit die dagegen besonders empfindlichen Hunde aufbrachte. Die versuchten ständig, dem Abschreckgeruch zu entfliehen, und weil Waldur sie mit den Zügeln und knappen gedanklichen Befehlen hinderte, nach rechts oder links auszubrechen, rannten sie wütig kläffend und sich gegenseitig mit ihren Zähnen nach den Ohren und Hälsen schnappend, in die ihnen aufgezwungene Richtung. Ihr Tempo war jedoch für Scalla schwer einhaltbar, da es keiner seiner natürlichen Laufarten entsprach, er musste einen gebremsten Trab einhalten, und das wiederum machte auch ihn aggressiv. Selbst nachts, wo die Hunde nahe dem Lagerfeuer an einen Pflock geleint waren, gaben sie kaum Ruhe, sie versuchten wieder und wieder, sich loszureißen, um diesem Stinkplatz zu entfliehen. Für Waldur wie für Scalla Schlaf raubend.
So war Waldur mit seinen Schlittenhunden bislang mehr beschäftigt gewesen als mit allem anderen. Er hatte bereits erwogen, sie freizulassen, den Gedanken jedoch aufgeben müssen, denn alleine wegen Scallas Futtersäcken war er auf den Schlitten angewiesen. Es musste also, wie es war, weitergehen.
Und es ging ausgezeichnet weiter, die Straße führte längst nicht mehr ständig bergauf, der Schnee unter ihnen war nicht zu locker, nicht zu fest, und Waldur erkannte, dass das reisefreundliche Wetter vorab noch anhalten wird.
Gegen Ende des vierten Tags kamen ihm Bedenken, ob sie nicht in ein Paralleltal geraten seien, denn links seines Weges müsste sich nunmehr ein schmales Flussbett abzeichnen, das er allenfalls erahnen konnte. Stimmte jedoch der Weg, dann erreichten sie morgen Hörvik, ihre erste Siedlung.
‚Nimm dich zusammen’, ermahnte Waldur seinen unartigen Hengst jetzt zum wiederholten Mal, ‚du weißt, dass die Hunde wegen des schweren Schlittens nicht anders laufen können, weshalb wir uns ihnen anpassen müssen.’
Scalla fügte sich, wenngleich verstockt. Er konnte diese dümmlichen Kläffer und Beißer vor sich, denen er sich auch noch anpassen musste, nicht ausstehen. Deshalb übte er gelegentlich Rache an ihnen, indem er tat, als würde nun er das Tempo bestimmen. Dazu beschleunigte er es entweder kurz auf seinen flotten Trab, wodurch die Hunde jedes mak so verschreckt anhielten, dass ihnen der schwere Schlitten in die Hintern sauste, oder er bremste es kurz auf seinen Gehschritt ab, und dadurch würgten den Hunden die plötzlich angespannten Zügel für einen Moment die Hälse zu. Beides sah Scalla zu gerne. Waldur war der einzige, der hier Ruhe bewahrte, denn nur so konnte er die drei aufsässigen Tiere nach seinem Willen lenken.
Der Weg hatte gestimmt, bereits zur dritten Nachmittagsstunde des folgenden Tages trafen sie in Hörvik ein. Endlich eine ausgedehnte Ruhepause freute sich Waldur und war darüber hinaus glücklich, wieder Menschen um sich zu haben. Denn die fünftägige Einsamkeit in dem Schneegebirge, wo überall unsichtbare Gefahren lauern konnten, hatte stärker an seinen Nerven gezerrt, als ihm bewusst geworden war. Umgekehrt freuten sich auch die Hörwiker über diesen unerwarteten Besuch, und sie verwöhnten Waldur wie auch seine Tiere mit allem, was sie zu bieten hatten.
So eilte Waldur anderntags mit seinen Tieren gut ausgeruht, reichlich gestärkt und mit neu beladenem Schlitten fast frohgemut an dem von hier ab schon deutlich erkennbaren Eisfluss entlang.
Noch immer klarer Himmel und unbewegte Luft, war es jedoch noch frostiger als die Tage zuvor, was sich nach einigen Stunden auf Scallas Laufmuskeln niederschlug. Deshalb rieb Waldur ihm nach ihrer Mittagsrast mit dem Robbenfett die Unterbeine ein, wobei er ihm ordentlich die Muskeln massierte. Scalla dankte ihm das, indem er bei ihrem anschließenden Weiterritt die Hunde nicht mehr reizte, was ja
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