Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
jedes Mal einen Aufenthalt dargestellt hatte. Allerdings hielt er sich nicht wirklich aus Dankbarkeit zurück, ih bewahre, er war lediglich zu sehr mit seinen eigenen Beinen beschäftigt, mit dieser Klebe daran. Waldur beobachtete das natürlich und setzte alles dran, Scallas Gedanken dort auch zu halten. Er fragte ihn von Zeit zu Zeit, ob das Fett noch genügend wärme und lobte immer wieder seinen geschmeidigen Schritt, denn er wusste, Lobe gingen Scalla stets tief unter’s Fell und machten ihn dadurch gefügiger.
Nicht anders am nächsten Tag, an dem sich allerdings mehr Wölfe als bisher links in den Wäldern einfanden. Ob etwa der Geruch des nur noch halbvollen Elixierbehälters nachließ? Waldur konnte es nicht beurteilen, seine Nase war an den Dauergestank, der sich auch in seinem recht vollen Bart eingenistet hatte, gewöhnt. Ansonsten war er sehr zufrieden, sie hatten nun über die Hälfte ihrer gesamten Strecke bewältigt, und wenn sie ihr Tempo beibehielten, erreichten sie statt in vier schon in drei Tagen Lykle, ihre nächste Bergsiedlung, die bereits dem Nordsvebenland angehörte.
So konnte er jetzt zum ersten Mal in Ruhe die einzigartige Gebirgslandschaft genießen. Wobei sich sein Künstlerherz weitete, als er sah, wie die Sonne jenseits des Flusses den Bergschnee erglitzern und bisweilen einen majestätischen Gletschergipfel golden erleuchten ließ, wie hier und da in einer Waldschneise ein vereister Quellbach die Landschaft wie mit einer Kristallkette verzierte, und immer wieder erstaunten ihn die unzähligen Eiszapfen. Schwer, lang und dicht an dicht hingen sie von allen Felsvorsprüngen und Flussstegen herab, oft auch von ausladenden Baumästen, und wenn solch ein Ast über einen der rechts hinaufführenden Waldpfade gereckt war, bildeten die Zapfen daran, wie gläserne Säulen, die reinsten Waldeingangstore. Baumeister Natur. Waldur wurde bei seinen Betrachtungen immer gelöster, was sich auf seine Tiere übertrug, die eilten jetzt bedeutend friedlicher über die Schneestraße dahin.
A uf diese Weise hatten sie bis zum Sonnenuntergang abermals ein beachtliches Stück Weg hinter sich gebracht.
Zwar begann ihr achter Reisetag dann ebenso unbeschwert, doch Waldur beobachtete mit Besorgnis, dass die Nadelbäume ihre Zweigspitzen einkrümmten, wodurch dann und wann etwas Schnee von ihnen herab fiel. Auch wurden die Rufe der Polargänse warnend, und alle Sylphen und Ariels, die kleineren Luftalben, schwebten ostwärts davon. Es war mit Wetterwechsel zu rechnen.
Am Abend versprengte Waldur deshalb mehr Elixier als sonst rings um die Schneemauer ihres Camps, und als er sich wenig später in seine Felle zum Schlafen legte, richtete er weit sein Feingespür aus, um ja den Wetterumschwung rechtzeitig zu bemerken.
Und richtig, noch vor dem Morgengrauen erwachte er - die Luft war rauer, Wind kam also auf. Sofort aus den Fellen, brach er mit seinem Fahrtenmesser einen Durchgang in die Schneemauer, trat vor den Lagerplatz und ortete die Richtung. - Aus Nordwest, die allergefährlichste Richtung, denn der Wind wird ihre Witterung vor sie her blasen! Aufbrechen, beschloss er darauf, sofort aufbrechen!
Zurück beim Feuer steckte er hastig die Fackel an. Zu hastig, denn - w u f f - schreckten davon die Hunde hoch, hatten mit diesem Ruck ihre kurzen Leinen vom Pflock gerissen, und bevor Waldur etwas unternehmen konnte, jagten sie bellend durch das Mauerloch davon. Waldur war blass geworden, die sind wir los, begriff er und starrte ihnen nach, wie sie in der Dunkelheit verschwanden.
Doch die Situation erforderte rasches Handeln, müsse es eben ohne sie weitergehen. Was aber mit dem Gepäck? Nach kurzem Überlegen beschloss er, nur Scallas noch halbvollen Futtersack und den Elixierbehälter mitzunehmen. Danach weckte er Scalla, und noch während der Hengst zu sich kam, sattelte Waldur ihn bereits, wobei er ihm verriet: ‚Wirst deinen Spaß haben, Kamerad, es geht ohne die Kläffer weiter.’
Ohne diese Wichtigtuer? Scalla wieherte freudig auf, und dann konnte es ihm, obschon es noch stockfinster war, nicht schnell genug losgehen. Waldur aber eilte zuvor noch ein Stück den Waldberg hinauf und warf das Hundefutter aus, damit nachher die hungrig aufwachenden Wölfe dorthin gerannt kommen. Danach erst saß er auf, und sie ritten bergab aus dem Wald. Unten überquerten sie vorsichtig den vereisten, hier schon recht breiten Fluss, an dem sie anschließend linksseitig auf dem windgeschützten Uferpfad weitereilten.
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