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Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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als sich Waldur endlich auch mit einem Stück Brot ans Feuer setzen konnte und dann doch nicht in das Brot biss. Er war nervös, sehr. Denn die ersten Flocken fielen vom Himmel, und die bald herumfegenden Schneealben machen Scalla sicher wieder völlig konfus. Ruhig, ganz ruhig, redete sich Waldur zu, du weißt, dass der Ritt trotz allem zu schaffen ist, denke an Vater. Wie aber sollte er Ruhe finden, wenn von der gegenüberliegenden Uferseite ständig Wölfe zu ihnen herüberspähten? Das elixierbesprengte Fell! - fiel ihm ein. Er ratschte mit dem Messer einen Streifen seines Bärenfells ab und warf ihn ins Feuer. B r r r , qualmte das und stank, p f f f t , und jagte ihm Tränen in die Augen. Doch der Gestank verscheuchte die Wölfe. Er schnitt zwei weitere Streifen ab, riss sie klein und warf hin und wieder ein Stück in die Flammen. Währenddessen studierte er wieder Ottekas Zeichnung, die ihm nur erneut bestätigte, was er ohnehin wusste: Um bis zur Dämmerung die Jagdhütte zu erreichen, müssen sie nach einer gleich folgenden Waldwegabkürzung wieder am Fluss entlang galoppieren, eine gewaltige Strecke, die sie in höchstens drei Stunden hinter sich bringen müssen. Anschließend gilt es, jenseits des Flusses in nicht mehr als zwei Stunden den Thyrberg zu überwinden. Haben sie bis dahin die Zeit eingehalten, können sie bei flottem Ritt rechtzeitig bei der Jagdhütte anlangen. Aber nur, wenn wir jetzt die Rast beenden, dachte Waldur. Scalla einfach den Futterbeutel abnehmen und aufbrechen? - Nein, bloß nicht wieder hetzen, nicht nochmal diesen Fehler. Ruhe, Waldur, Ruhe, ermahnte er sich deshalb, setze dich locker zurecht und finde deine Ruhe zurück.
Er nahm, Beine über Kreuz, die Meditationshaltung ein und führte eine beruhigende Atmung durch. Danach versenkte er sich langsam in sich selbst.
‚Hilf uns, Ragna’, betete er, ‚gib Scalla und mir Kraft, und verleihe mir eine Eingebung . . . Hilf uns - Himmel hilf uns!’
So betete er inbrünstig um himmlischen Beistand, und bald empfing er Antwort. Er vernahm in seinem Inneren ein sonderbar rhythmisches Tacken - was ist das, wunderte er sich: Dagg, dagg, dagg, dagg. Jetzt ist es geschwinder - dabbe, dabbe, dabb - und noch geschwinder - gelapp, gelapp, gelapp. Nun zeigt sich mir das entsprechende Bild dazu, ein Pferd, das abwechselnd in diesen drei Rhythmen läuft - Scalla. Beschwingt eilt er durch die fallenden Schneeflocken über die Straße - dabb, dabb, dabb, dabb, genau neunzig Trabschritte, dann vollführt er neunzig behände Galoppsprünge, als galoppiere er über weiße Wolken dahin - dann trabt er wieder, und anschließend vollzieht er genau neunzig Gehschritte. Dem schließt sich wieder der beschwingte Trab an, der fliegende Galopp, wieder Trab und am Schluss der Langsamgang. Ich begreife, diese Neunzigschrittversion entspricht dem idealen Reitrhythmus.
Das Bild verschwand, und gleich drauf schlug Waldur erfreut die Augen auf: ‚Danke, Ragna, für die Eingebung!’ Das ist die Lösung, mit dieser Reitweise ist der Zeitverlust wettzumachen, und Scalla bleibt bei Kräften.
Darauf schmeckte Waldur doch sein Brot, auch hatte er seine innere Ruhe wieder gefunden und den nötigen Elan, um Scalla hernach das Intervallreiten beizubringen.
Die Abkürzung durch den Wald hatten sie dann bald hinter sich gebracht, und nun übten sie sich auf der Uferstraße in ihrer neuen Reitweise. ‚Wieder langsam, Scalla . . , gut, und jetzt rechts, links, rechts, links, fünf, sechs, rechts, links . . ‘
Beiden lachte die Freude über ihr beflügelndes Vorwärtskommen aus dem Gesicht, Waldur besonders, da er beobachtete, wie viel Zeit sie gewannen.‚Jetzt wieder Trab, Scalla, gut so - fünf, sechs, tapp, tapp, neun, zehn, . . ‘
So leichtfüßig hatte Scalla noch nie getrabt, aber so elastisch hatte Waldur ihm auch noch nie auf dem Rücken gesessen.‚Tapp, tapp, tapp, tapp . . ‘ , gab Waldur, stets mit den Fingern abzählend, weiter den Lauftakt an, was er ansich nicht mehr gebraucht hätte, denn der Rhythmus war beiden bereits ins Blut gegangen. Und wie er nun neunmal zehn Trabschritte abgezählt hatte, war Scalla auch schon auf Galopp eingestellt. In weiten Sprüngen flogen sie über die Schneestraße, dass Waldurs blonde und Scallas schwarze Mähne im Reitwind um die Wette flatterten. Diese Reitweise barg einen weiteren Vorteil, sie lenkte Scalla von den ersten, wild zwischen den fallenden Flocken herumtosenden Schneealben ab, die ihn sonst stets

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