Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
leise wie möglich, um nur seine Gastgeber nicht zu wecken. Als er aber die Suppe vom Herd nahm, flog sein Blick erschreckt zur Tür: „Habe ich dich doch geweckt!“
Der noch schlafzerzauste Otteka betrat die Küche und warf Waldur vor: „Das hätten dir doch Erika oder ich alles gemacht.“
„Erika? Reicht ja wohl, dass ich dich aus dem Schlaf gerissen habe.“
„Ah so, und wer sollte dir jetzt dein Gepäck herrichten?“
„Die drei Sachen, Otteka.“
Sie setzten sich an den Tisch, und während Waldur seine Suppe löffelte, erkundigte sich Otteka: „Nimmst nur das Allernötigste mit, wie?“
„Ja, ich lass sogar die Wärmebeutel und eins meiner Felle hier.“
„Ein Schlaffell genügt auch jetzt. Und was brauchst du von uns?“
Waldur zählte auf: „Einen halben Laib Brot, einen gefüllten Futterbeutel für das Pferd und ein paar Fleischbrocken, um die Wölfe abzulenken. Mehr nicht.“
„Und ein kleines Elixierfass, Junker Waldur, und eine Fackel.“
„Keine Fackel“, lehnte Waldur ab, „ich habe Katzenaugen. Und auch kein Elixier, wenn du mir nur meine Sachen ordentlich besprengst, hast mir doch prophezeit, dass euer Elixier stark riecht.“
„Das tut es“, grinste Otteka, schlug sich dann auf den Schenkel und wiederholte: „Keine Fackel - das hätte ich wissen müssen, hast ja Phosphor in den Augen wie ein Nachttier. Na, dann iss mal die Suppe auf, ich kümmere mich derweil um dein Gepäck.“
Nachdem Waldur den Tontopf leergegessen hatte, begab er sich auf leisen Sohlen zum Pferdestall. Die Tür knarrte, als er sie öffnete, worauf Scalla ihm fröhlich seinen braunen Pferdekopf zuwandte.
‚Du bist schon wach?’, freute sich Waldur, war sofort bei ihm und umarmte seinen Hals, ‚wackeres Ross, du. Und wie fühlst du dich? Wieder bei Kräften?’
‚Gut’, lautete Scallas, wie gewohnt, knappe Antwort.
Waldur graulte ihm die Mähne, und plötzlich staunte er: ‚Ei, du hast ja schon dein Frühstück angefangen.’ Er zog ihm den Futtertrog näher unters Maul: ‚So geht’s besser. Friss dich satt, mein Lieber, ich verwöhne dich währenddessen.’
Scalla beugte wieder seinen Kopf in den Trog, um dann genüsslich zu kauen - graub, graub, graub - während Waldur ihm mit Stroh den Rücken, den Bauch, den Hals und zuletzt die Beine abrieb, alles mit gekonnten Massagestrichen, die Scalla ordentlich mobilisierten.
Jetzt wurde die Tür aufgestoßen, Otteka brachte auf beiden Armen das Gepäck, Waldurs Fellwams sowie die Dachsmütze und den damit verbundenen neuen Elixiergeruch herein. Und da schüttelte sich nun Waldur, wie gestern früh Scalla:„P f f f , hahh - p f f f f f !“
Otteka, selbst den Kopf angeekelt zur Seite gedreht, ließ die Sachen neben Scalla auf den Boden nieder, wobei er lachte: „Gewöhnt euch schon mal an den Duft.“
„Otteka, bä!“, beschwerte sich Waldur mit zugehaltener Nase, „stinkt ja wie Jauche, sogar noch penetranter.“
„Soll es doch auch. Aber sieh dir dein Pferd an, das zuckt nicht mal mit den Nüstern.“
Darauf blickte Waldur zu Scalla, der tatsächlich ungerührt dastand. „T s i s s s “, konnte er darüber nur staunen. „Naja, die Geschmäcker sind eben verschieden.“
Indessen hielt Otteka ihm das Bärenfell hin: „Da, leg’s ihm über, und dann gleich den Sattel drauf, willst doch heute noch fertig werden.“
„Was sonst, mir kribbelt jeder Nerv.“
„Glaube ich. Und keine Angst, Junker Waldur, die Lebensmittel kriegen nichts ab von dem Gestank, sind alle sicher in Lederbeutel verpackt.“
Nachdem Scalla beladen war, begleitete Otteka Waldur durch die noch völlig stillen Gassen zum Siedlungswall. Vor dem Tor verabschiedeten sie sich, und Otteka bat Waldur, bei Bürgermeisterin Ines eine Nachricht zu hinterlassen, ob er heil angekommen sei.
„Mach ich, darum haben mich doch auch die Icefjorder und die Hörviker gebeten“, versprach Waldur, wandte Scalla um und ritt eilends davon.
‚A uf, Scalla, auf!’, jagte Waldur den Hengst den ganzen Vormittag verbissen über die Straße. Einen Galopp nach dem anderen, kaum dass er ihn zwischendurch ausreichend verschnaufen ließ.
Bis Scalla erschöpft anhielt und mit vollem Recht auf seiner Mittagsrast bestand, eine halbe Stunde früher als geplant und kein von Otteka aufgezeichneter Unterschlupf in der Nähe. Mithin war Waldur gezwungen, an Ort und Stelle ein Lagerfeuer mit notdürftiger Schutzwand gen Südwest herzurichten, was ihn ungeplant lange Zeit kostete.
Scalla kaute schon lange seine Körner,
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