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Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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jetzt nach unten.“
Sie begleiteten Siglind aus dem Palast, und von der Außentreppe her sahen sie ihr nach, wie sie glücklich mit ihrem Lurenkasten zum Tempelgelände eilte.
„Ich habe sie in der Andachtshalle erst nicht wiedererkannt“, gestand Waldur jetzt Hilibrand, was den keineswegs verwunderte:
„Ist mir vorhin nicht anders ergangen, bis ihr mich an meine damalige Rettungsaktion erinnert habt. Heute dürfte ich diese Schönheit wohl nicht mehr auf die Arme nehmen.“
„Du hast vielleicht Gedanken!“, empörte sich Waldur, und dann kam es ihm versonnen über die Lippen: „Sie ist wie ein Ätherwesen, ebenso anmutig wie unnahbar. Und diese großen Nymphenaugen - violette Augen. Die sind doch violett?“
Hilibrand amüsierte sich zwar über Waldurs Schwärmen, brachte es jedoch fertig, ihm mit der ernstesten Miene zu antworten: „Weiß nicht, ich habe sie eher für lila gehalten. Aber besser, du fragst sie selbst danach.“
„Hilibrand!“
„Wieso?“, tat der erstaunt, „kann man doch machen. Oder soll ich’s für dich tun?“
„Lass das ja bleiben“, wehrte Waldur erschreckt ab, „säh ja aus, als interessiere ich mich für sie!“
Darauf musste Hilibrand noch mehr an sich halten, als ob Waldurs Blicke nicht Bände gesprochen hätten.
    W enig später war es Waldur, der nicht mehr ansprechbar war. An seinem Arbeitspult sitzend, wanderten seine Gedanken von dem Goldadler zu Siglind und wieder zurück zu dem Goldadler. Zwei solche Ereignisse an einem Tag. Ob da ein Zusammenhang besteht?, fragte er sich und erteilte sich sogleich selbst die Antwort: Zweifellos. Ich bin sicher, auch Siglind von jenem Leben her zu kennen, immerhin war das mein erster Eindruck, als ich sie in der Andachtshalle erblickt habe und mir beinahe ihr damaliger Name auf die Zunge gekommen ist. Und das hat an dem Goldadler gelegen, er löst Visionen bei mir aus, gewährt mir Einblick zurück nach Urd und vor nach Skuld, als ob Vergangenheit und Zukunft in dem Himmelsvogel zusammenfließen, zur Zeitlosigkeit werden.
In Waldurs Brust begann seine uralte Seelenverwandtschaft mit Siglind neu zu knospen.
Tag für Tag glitten nun Waldurs Gedanken oft unversehens zu Siglind, zu dem Sonnenaar sowie zu seinem früheren Erdendasein als Suava und wollten sich stets nur schwerlich davon lösen. Sei es in der Druidenschule, in Eriks Werkstatt oder während seiner Dienststunden im Palast.
Gerade war er in seinem Kontor wieder jenen Gedanken erlegen, als er unvermittelt ernüchtert wurde:
„Bon jour, Ritter Waldur!“, drang es an sein Ohr.
Der Alltag forderte sein Recht, in Gestalt eines fränkischen Königsboten, der durch die Tür trat. Er überreichte Waldur eine Schriftrolle von Chlodwig. Noch leicht benommen entsiegelte Waldur erstaunt dieses förmliche Schreiben, rollte es auf, und die paar Worte, die er dann las, ließen ihn von seinem Stuhl hochfahren. Er möge ihn umgehend in Köln aufsuchen, bat Chlodwig ihn, und zwar offiziell als alemannischer Adelsrat. Darauf ging Waldur hinunter ins Fürstenkontor, wo er seiner Tante und seinem Vater das kurze Schreiben vorlegte.
Die entschieden nach ihrem Durchlesen, der Bote möge Chlodwig bestellen, Waldur werde sich übermorgen auf den Weg nach Köln begeben. Was immer Chlodwig auf dem Herzen habe, meinten sie, und wenn er Waldur nur seine neue Residenz vorführen wolle, es sei ohnehin an der Zeit, dass sich jemand aus ihrer Familie bei ihm blicken ließ. Und weit sei es zu Chlodwig nun wirklich nicht mehr, bei Waldurs Reitweise allenfalls drei Tage.
    I n seiner Freude auf Chlodwig und seiner Neugier, weshalb er um seinen offiziellen Besuch gebeten habe, hatte Waldur Köln bereits in zwei Tagen erreicht.
Jetzt sah er sich interessiert um in der Stadt, die nach Chlodwigs Angabe über hunderttausend Einwohner zählen sollte. Gegründet wurde Köln einst von den Ubiern, die Franken hatte es erst Jahrhunderte später hierher verschlagen, weshalb heute hier ein ubisch-fränkischer Mischdialekt gesprochen wurde. Waldur hörte ihn gerne, er klang charmant. Auch die Bürger waren charmant und darüber hinaus noch schicker als alle anderen Franken, die er bisher gesehen hatte. Gegen sie kam sich Waldur in seinem biederen mattbraunen Ritteranzug wie ein reisender Händler vor. Wie ein Svebe, gestand er sich ein, denn die Sveben waren nicht nur als übertrieben reinlich, sondern auch als hausbacken bekannt.
Köln war eine unverkennbar nordgallische Stadt jenes Jahrhunderts, nirgendwo etwas Grünes,

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