Die Hexe aus Burgund: Historischer Roman (German Edition)
Gisebrecht tat, als bemerke er ihre Verlegenheit nicht, verneigte sich grüßend vor Waldur und geleitete Chrodegilde dann durch den nicht mal mehr halbvollen Saal nach draußen.
W aldur hatte ihnen nachgeschaut, bis sie zwischen den Gästen nicht mehr zu sehen waren. Nun saß er wieder auf ihrem Zweiersofa, noch berauscht von dem unerwarteten Wiedersehen mit Chrodegilde, seiner Jugendliebe, die ihn nie vergessen hatte. Erst als er Finn, den friesischen Kronprinzen, erwartungsfreudig auf sich zukommen sah, klärten sich seine Gedanken. Denn Finns Ausdruck ließ keinen Zweifel zu, dass er Kriegsabenteuer von ihm erfahren wollte, und danach stand Waldur jetzt absolut nicht der Sinn. Deshalb erhob er sich und wünschte Finn dann im Vorbeigehen eine gute Nacht.
Wie Waldur schließlich die Ausgangstür erreichte, trat ihm Clodwig in den Weg und erkundigte sich mit frivoler Miene: „Wohin so eilig, ins Himmelbett dieser hunnischen Süßmaus?“
Derartige Bemerkungen von ihm hatte Waldur bisher stets überhört, doch diesmal strafte er ihn mit einem durchbohrenden eisblauen Blick, der Chlodwig das Blut gefrieren ließ.
B ezaubernde, verzaubernde Chrodegilde, was hast du mit Waldur angerichtet. War er sonst die Lebensfreude in Person, so erwachte er am nächsten Morgen in seiner Gästesuite mit beklemmenden Gedanken. Er habe sich Chrodegilde gegenüber unritterlich verhalten, völlig verantwortungslos, warf er sich vor. All die Stunden bis in den späten Abend hinein habe er mit ihr in dieser Nische zugebracht und um sich her nichts mehr wahrgenommen. Welchen Eindruck mussten die Gäste und vor allem auch ihr Vetter Gisebrecht von ihr, einer verlobten Prinzessin, gewonnen haben - etwa den gleichen wie Chlodwig? Im Rausch seiner Verliebtheit war ihm diese Konsequenz entgangen. Unverzeihlich. Er dachte nur an ihren strengen Vater, den sie so fürchtete.
Während er sich aus dem Bett schälte und sich dann herrichtete, überlegte er, wie er sein Versagen weit möglichst bereinigen kann. Wenn ich nachher den Festsaal betrete, nahm er sich schließlich vor, werde ich Chrodegilde nicht begrüßen, sie sogar völlig übersehen und zum Frühstück bei anderen Gästen Platz nehmen. Damit kann ich vieles abschwächen, die Anwesenden werden uns für flüchtige Bekannte halten.
Z um Glück war es Waldur verwehrt, dieses naive Vorhaben auszuführen, denn erst mit diesem, gerade für einen Ritter, obskurem Benehmen hätte er Chrodegilde wie auch sich selbst in ein fragwürdiges Licht gesetzt. Wie er sich nun dem Schlossgebäude näherte, kam ihm eine Hofdame entgegen und richtete ihm aus, das junge Burgunderpaar habe bereits abreisen müssen und ließ ihn herzlich grüßen.
Diese Nachricht traf ihn wie ein Schlag. Am liebsten wollte auch er jetzt abreisen. Aber nein, wurde ihm klar, damit könne er Chrodegilde kompromittieren, man könne mutmaßen, er sitze bei ihr in der Kutsche. Wenigstens bis morgen müsse er an der Feier noch teilnehmen. - Womit er diesmal richtig lag.
I n Frowang wurde Waldur bald reichlich von seiner Sehnsucht nach Chrodegilde abgelenkt. Nicht nur durch sein Studium, auch durch seinen regen Kontakt mit den Druidenschülern, zu denen seit Beendigung der Sommerferien auch Siglind zählte. Und an den Nachmittagen war er im Palast voll von seiner Hohen Ratstätigkeit beansprucht. Sein dortiges Assistentenjahr hatte er bereits abgeschlossen. Doch auf die Bitten seiner Tante und seines Vaters blieb er nachmittags weiterhin im Schloss tätig, wo er nunmehr das Bauressort leitete, und da ihm dieses Gebiet ja lag und er von da aus auch mit Erik in Frowang Verschönerungen durchführen konnte, fand er zunehmenden Gefallen an dieser Tätigkeit. Selbst an den Landesversammlungen, die jedes halbe Jahr auf dem Residenzdingplatz in Frowang abgehalten wurden, und zu denen meist die Hälfte aller Stadt- und Landkreisbürgermeister sowie die neun Gaugrafen und die vier Druiden aus ganz Alemannien erschienen, nahm er gerne teil.
Allerdings beschäftigte ihn bei alledem dennoch die Sorge, wie es mit Chrodegilde und ihm weitergehen soll, schließlich war sie verlobt. Sicher, er war verliebt in sie, wechselte auch zärtliche Minnebriefe mit ihr, doch das Thema Heirat erwähnte darin keiner der Beiden. Waldur schon deshalb nicht, da ihm stets flau wurde, wenn er daran dachte, wie es mit Uta und Chlodwig geendet hatte.
C hlodwig war dann auch der Einzige, dem er sich im Herbst bei dessen Frowangbesuch anvertraute. Dem aber standen
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