Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
erbost. Jetzt fordern sie seine Auslieferung. Er hielt sich beim Erzbischof in Mainz auf, dass der ihm, genau wie vordem sein Herr, Unterstützung gewähre. So verzückt darob schien Seine Exzellenz nicht gewesen zu sein, da er ihn nach Miltenberg verwies. Von dort wurde er durch die Vermittlung seines ehemaligen Schreibers Valentin Schuster nach Amorbach gerufen. Dessen Vater hatte einen Erbstreit mit dem Schultheiß und profitierte vom Tod der Schultheißin.«
»Ich stelle mir vor, wie erfreut Noß war, mich und Magdalene hier zu finden«, sagte Lukas. »Er muss es für eine Gottesfügung gehalten haben. Das war es, denn jetzt wird ihn Gottes Strafe ereilen.«
»Man wirft ihm allerlei vor im Bistum Fulda, Habgier vor allem. Er klagte die reichsten Frauen an und zog ihre Vermögen ein. Arme Bauern mussten ihre gesamten Güter als Prozesskosten geben, wenn sie nicht auch eingetürmt werden wollten. Revision ließ er nicht zu und richtete Frauen hin, obwohl die in zweiter Instanz frei gesprochen waren. Niemand folterte grausamer als er und seine Opfer starben in Massenverbrennungen. In manchen, schon durch die Pest dezimierten Orten klagte er aus jeder dritten Familie die Hausfrau oder Tochter an. Wenn er dorthin ausgeliefert wird, sie zerreißen ihn. Ah, die Urteilsverlesung ist vorbei.«
»Was machen sie?«, fragte Luzia unbehaglich.
»Er wird entkleidet.« Magdalene sprach fest und ihre Hände umkrampften das Fernrohr. Ein Johlen ging durch die Menge. »Jetzt ist er nackt. Sie ketten ihn gestreckt an den Pfahl.«
»Wird er dabei sterben?« Wie Luzia diesen Mann hasste! Dennoch fühlte sie einen dumpfen Druck im Magen, wenn sie daran dachte, was ihm nun bevorstand.
»Nein, Jungfer Luzia«, sagte Doktor Patrizius. »Der Henker ist ausgebildet. Es liegt in seiner Verantwortung, dass nur die festgesetzte Strafe ausgeführt wird, nicht mehr. Er wird im Sinne seines Verbrechens bestraft, nicht getötet. Das muss er überleben.«
»Aber warum? Ich meine, warum tun sie ihm das an? Wenn sie ihn doch sowieso umbringen wollen, warum dann dieser Aufwand?«
»Die öffentliche Bestrafung? Ich nehme an, um das Volk zu beruhigen. Es wird streng nach dem Gesetzbuch der Carolinga gehandelt, so hat es unser Kaiser bestimmt. Nur wurde streng im Einklang mit dem Gesetz in zwei Prozesse aufgespalten. Ein weltlicher Richter hat dieses Urteil gefällt, er sah keinen ausreichenden Zusammenhang mit der Ketzerei. Dies hier ist nur die Strafe für Notzucht. Jungfer Magdalene, schaut gut zu, das ist Eure Vergeltung. Er wird von seinen Wunden genesen sein, bis die Ankläger aus Rom zurück sind, die ihn aburteilen sollen.« Der Papst hatte mehrere Kirchenfürsten zu sich befohlen, um diese Vorkommnisse aufzuklären. Dieser enorme Aufwand verdeutlichte, wie tief der Prozess um Noß die Gemüter aufwühlte. »Zufälligerweise bin ich bekannt mit jemandem, der nähere Kenntnisse vom Verfahren erlangen konnte. Man hat Zentgraf Noß angeboten, die Strafe auszusetzen bis nach dem Ende des Prozesses wegen Hexerei. Im Endeffekt hätte man also diese Strafe gar nicht vollzogen, denn ich glaube kaum, dass es dann noch möglich … Also, er bat selbst darum. Er war geständig und bekannte sich schuldig der Notzucht einer schutzbefohlenen Jungfrau im Wiederholungsfall. Nun, besonders schwere Begleitumstände, Widernatürlichkeit et cetera, et cetera. Das bedeutet Strafverschärfung. Der Richter sprach das Höchstmaß aus. Zentgraf Noß dankte ihm dafür und bat um baldige Vollstreckung, da er die schlimmste Strafe verdiene. Er leide unsäglich unter seiner Wollust und ersehne deren Abklingen. Jeder körperliche Schmerz sei dem vorzuziehen und die Ablenkung dadurch zu begrüßen. Er wisse, dass es nach der Vollstreckung noch Wochen oder Monate dauere, bis die Qual beendet sei. So hoffe er, den Prozess vor den Inquisitoren von dieser Schuld befreit und wachen Geistes verfolgen zu können.«
»Strafverschärfung? Was bedeutet das, Herr Doktor?«, fragte Magdalene, der es anscheinend überhaupt nicht schleierhaft war, weshalb Noß sich so entschieden hatte.
»Ihr seht es gleich selbst, Jungfer Magdalene. Zuerst wird er geschlagen. In Anbetracht seines vernarbten, gefühllosen Rückens soll der Henker Gesäß, Bauch, Oberarme und das Innere der Oberschenkel herannehmen. Zuerst muss er mit dem Gesicht zum Pfahl stehen, dann mit dem Rücken dazu, zum Schluss werden die Gehilfen die Beine spreizen. Ausdrücklich soll der Henker mit der Peitsche nicht die
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