Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
Erlebnis ihres Lebens und stellte sie dann zur Seite wie einen Besen in den Schrank.
Noch völlig verwirrt zog sie sich ihre Kleider aus, löschte die Lampe und legte sich in die weichen Kissen, die Trine mit duftendem Leinen bezogen hatte. Doch bevor sie auch nur beginnen konnte, sich Gedanken zu machen, schlief sie schon ein.
Kapitel 12 - Satisfaktion
Es war der strahlend schöne, eiskalte Morgen des dreißigsten April, ein Tag vor dem Gedenktag der Heiligen Walburga. War es tatsächlich schon ein Jahr her, dass sie den Hexenrichter kennengelernt hatte? Die Zeit verging wie im Fluge, wie der Flug einer Hexe auf dem Besen. Heute Nacht würden überall im Land die Feuer brennen und heimlich Männer und Frauen Walpurgisnacht feiern. Niemand störte sie dabei, denn wer sich nicht als Freund der Geisterwelt sah, fürchtete, von ihr behelligt zu werden. Die Obrigkeit verschloss sich in ihren Häusern und betete, dass der Herr sie vor dem nächtlichen Unwesen verschonte.
Luzia stand fröstelnd neben Lukas auf dem Balkon des obersten Stockwerks des Stadthauses der Familie Wegener. So nah und doch so fern. Ob er diese Liebesnacht bedauerte? Keine halbe Minute waren sie seitdem mehr allein gewesen. Ständig bewegte sich jemand um sie herum und er machte keine Anstalten, ihr erneut näher zu kommen. Zwar bedachte er sie mit ausgesprochener Höflichkeit, aber sie vermisste die Verliebtheit in seinem Blick, seine sanften Worte, seine Zärtlichkeit. Dafür beschäftigte er sich ausnehmend mit der schönen Nachbarswitwe. Nicht dass er mit ihr sprach, er kam nicht einmal mit ihr zusammen. Aber jeder, der das Haus betrat, wurde ausführlich über sie ausgefragt. Die Besucher äußerten sich meist sehr diplomatisch, weil sie nicht wussten, was seine Anfrage bedeutete, doch jeder, der auch nur ein wenig zwischen den Zeilen zu lesen verstand, begriff, dass es sich bei ihr um eine Hure handelte. Jeder wusste das, nur nicht Lukas. Nach den ersten Botschaften hatte Luzia Zweifel in seinen Augen erkannt, später Trauer, dann Resignation. Jeder wusste, dass sie nur auf einen Mann wartete, den sie beerben konnte, einen Besseren als den Pferdehändler, der ihr nur das Haus hinterlassen hatte, in dem sie jetzt einen anderen suchte, möglichst einen reichen Tattergreis, der ihr nicht hinter das Vergnügen mit den jungen Burschen kam. Denn das hatte sie nie lassen können, schon zu Lebzeiten des Pferdehändlers. Und jetzt herrschte ein beständiges Kommen und Gehen in seinem Haus, das aber mit Pferdehandel wenig zu tun hatte.
Um diese Schlampe trauerte Lukas. Dabei hatte Luzia ihm deutlich gezeigt, dass sie ihm mehr bieten konnte. Sie hätte nie wieder hierher kommen sollen, nachdem sie einmal in Mainz gewesen war. Jetzt saß sie hier in der Falle. Seit Wochen kam niemand mehr nach Amorbach hinein oder heraus, ohne von den Stadtwachen strengstens überprüft zu werden. Das ging so weit, dass sogar am hellen Tage die Stadttore geschlossen wurden, wenn sich nicht gerade eine Schlange von Bürgern davor sammelte. Die Schweden kämpften überall und marodierende Söldner durchstreiften das Land.
In Mainz suchte sie niemand. Magdalene hatte Luzia so sehr gebeten, ihr beizustehen, dass sie schließlich eingewilligt hatte, ihr zusammen mit Lukas vom Gelingen des Plans zu berichten. Das hatte in dem einen Erlebnis mit Lukas geendet. Allein deswegen hatte sich die Rückkehr nach Amorbach gelohnt. Wenn sie nur daran dachte, sammelte sich Wärme in ihrem Schoß und ihre Finger begannen zu zittern. Leider nur hatte danach Lukas keine Anstalten mehr gemacht, das Ganze zu wiederholen. Ein verstohlener Blick, wenn das Gesinde nicht hinsah - davon konnte keine Liebe bestehen. Luzia sehnte sich nach seiner Berührung, seinen Küssen. Nein, wenn sie ihn nicht ganz haben durfte, mit diesen Bröckchen wollte sie sich nicht abspeisen lassen. Hatte er auf einmal Angst vor ihr? Was sollte diese dumme Ausrede? Warum sollte Magdalene nicht davon erfahren? Luzia wollte Lukas’ Schwester heute noch zur Seite stehen, dann war es Zeit, die Stadt zu verlassen. Sicherlich blieben in der Walpurgisnacht die Stadtwachen an ihrem sicheren Feuer und achteten nicht darauf, wenn ein Schatten über die Stadtmauern glitt.
Jetzt sah Magdalene gar nicht hilfsbedürftig aus, eher entschlossen. Luzia konnte kaum etwas unten auf dem Marktplatz erkennen. Mit dem Fernrohr hätte sie mehr gesehen, aber das hielt Magdalene fest in der Hand. Das war die Kostbarkeit, die Lukas von
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