Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
konnte sie nicht verstehen, aber es klang sehr aufgeregt, teilweise brüllte er sogar, abgewechselt von einer weiteren, piepsigen Männerstimme. Es tobte ein heftiger Streit.
Eigentlich war Luzia sich gar nicht genau klar darüber, was sie hier wollte. Vielleicht suchte Balthasar sie sogar an diesem Ort zuerst. Er wusste doch genau wie sie, dass sie in Amorbach zu niemandem mehr gehen konnte, niemand nahm eine geflohene Hexe auf. Er dachte sich bestimmt, dass sie zum ersten vertrauten Ort floh. Und das war hier. Aber sie musste etwas erledigen. Balthasar Noß wollte aus irgendeinem Grund diese Papiere vernichten. Wenn er das wollte, dann wollte Luzia das Gegenteil. Sie hatte Unrecht begangen und musste das wiedergutmachen. In der Folterkammer hatte Luzia zu Gott gebetet, dass er ihr hilft. Dass Gott ihr seine Hilfe gewährte, geschah vielleicht genau zu dem Zweck, dass sie ihr Unrecht wiedergutmachte. Wenn Balthasar sie fasste, wollte sie wenigstens das vollbracht haben. Sie wandte sich gerade dem Treppenhaus zu, als die laute Männerstimme sie anfuhr. »Was willst du!«
Luzia zuckte gehörig zusammen. Sie drehte sich herum und sah auf den Sprecher. Er war groß, sein Gesicht wütend und die dunklen Augen sprühten vor Zorn. »Ich …« Luzias Stimme versagte und sie musste sich räuspern, bevor sie ein Wort herausbekam. »Ich wollte zur Herrin Magdalene …«
»Magdalene ist weg«, sagte er grob. »Verschwinde! Jemanden wie dich will ich nicht in meinem Haus haben. Und wenn Magdalene meinen Befehl befolgt hätte, wäre sie noch hier.«
»Aber … ich will doch helfen!«
»Von dieser Hilfe haben wir genug. Ich habe zu tun. Geh zurück zu Zentgraf Noß!«
Siedend heiß erkannte sie, was passiert war. »Geht … geht es Magdalene gut?«
Der Zorn in seinem Gesicht vertiefte sich, die Stimme wurde noch lauter. »Dank deiner … Hilfe! … bald nicht mehr. Bist du jetzt zufrieden? Ist es das, was du wolltest? Reicht nicht, was ihr das erste Mal angetan wurde?«
»Bitte Herr, Ihr versteht nicht. Ich will wirklich helfen. Ich gehöre nicht zu Zentgraf Noß.«
»Du warst es doch, die mit ihm vor der Tür stand! Ich sah dich vom Turm aus, aber bevor ich es verhindern konnte, hatte Magdalene schon die Tür geöffnet. Und jetzt ist sie weg!«
Die Stimme schlug bei den letzten Worten um und seine Miene zeigte unbeherrschte Wut. Statt zurückzuweichen straffte Luzia ihre Schultern und sah ihm ins Gesicht. »Wenn Ihr wisst, Herr, wer Zentgraf Noß ist, dann solltet Ihr auch wissen, dass er Mittel hatte, mich zu zwingen. Glaubt Ihr etwa, ich bin ihm freiwillig gefolgt? Ich denke, ich weiß, worum es geht. Ist es der Taufschein?«
Man sah ihm an, dass er sich nur mit Mühe zurückhielt. »Ich habe keine Zeit, muss Rechtsanwälte suchen. Einen finde ich, der ihr hilft. Das letzte Mal hat sich auch einer erbarmt.«
»Dann hilft er diesmal vielleicht wieder!«
»Ha! Seit er Magdalene verteidigte, war er nicht ein einziges Mal mehr vor Gericht. Er ist kaltgestellt. Bußgelder darf er noch verwalten, mehr nicht. Er verdient nicht mal mehr genug, seine Familie zu ernähren! Es muss ein Wunder geschehen, dass ich einen anderen überreden kann.«
»Vielleicht werde ich für dieses Wunder sorgen. Sagt mir: Ist es der Taufschein?«
»Ja, bei Gott! Es ist der Taufschein. Sie stürmten hier herein und verlangten die Herausgabe. Magdalene konnte ihn nicht finden und ich weiß auch nicht, wo das vermaledeite Ding steckt. Jetzt ist sie angeklagt, dieses Stück Papier dem Teufel verkauft zu haben! Balthasar hat ihn gestohlen. Woher sonst wüsste er das? Und warum sonst ist er nicht da!«
Die Türglocke war deutlich zu hören und der Kopf des Mannes fuhr herum. Er rannte in den Flur und starrte aus dem Fenster. Luzia folgte ihm und als sie sah, wer vor der Tür stand, fühlte sie ihren Schließmuskel fast versagen. »Noß«, stöhnte sie. Sie packte den Mann am Arm. »Bei der Gnade des Herrn, versteckt mich! Für Magdalene! Ich weiß, wo der Taufschein ist.«
Sekunden zögerte er, dann riss er sie am Handgelenk hinter sich her. »Niemand ist da«, schnauzte er das Dienstmädchen an, das aus der Küchentür schaute. Sie glotzte unverständig. »Nun mach endlich auf! Ich bin im Laboratorium, sonst ist niemand da!« Er wartete gar nicht das Nicken des Mädchens ab, sondern schob Luzia durch eine Tür auf das Fenster zu. Durch die Balkontür zog er sie auf den Balkon. »Spring!«
Er machte es ihr vor und flankte über die
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