Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
Balkonbrüstung auf den Boden, der vielleicht zwei Meter unter ihnen lag. Auffordernd breitete er die Arme aus und Luzia verhedderte sich ungeschickt in ihrem Rock, als sie herüberkletterte. Panisch ließ sie sich einfach in seine Arme fallen. Er fing sie auf und zerrte sie zu einer Kellertür. Dumpfe Gerüche empfingen sie. Jede Menge Regale und Akten, Probenröhrchen, Apparaturen und Gerätschaften standen im Halbdunkel herum und im Hintergrund saß ein kupfern schimmerndes, dunkles Fenster in einer dicken Tür. Er eilte mit ihr hindurch in einen lichtlosen Raum. Luzia konnte kaum etwas erkennen, nur einen großen Block in der Mitte, auf dem ein Licht glomm. Dahinter bugsierte er sie und drückte sie auf den Boden. »Versteck dich hier!«
Er achtete gar nicht darauf, dass sie nickte, sich zusammenkauerte und das Kleid um sich raffte, damit kein Rockzipfel sie verriet. Das fühlte sich an wie ein gemauerter Herd. Ein großartiges Versteck war das nicht. Jeder, der den Raum betrat, musste sie sofort sehen.
Wo befand sie sich überhaupt? Nicht in einem normalen Kellerraum. Vorsichtig spähte sie um die Ecke des Herdes. Sie sah nur gedämpftes Licht durch die seltsame Scheibe in der Tür. Es klopfte laut. Angsterfüllt zog sie den Kopf zurück. Wenn jemand nur durch die Scheibe spähte, dann blieb sie vielleicht verborgen. Schließlich war es dunkel hier drin und im Vorraum brannten Lampen. Kaum dachte sie das, sprang in der Wand eine Klappe auf und hüllte den ganzen Raum in gleißendes Licht. Er will mich ausliefern, ängstigte sie sich und zog ihren Körper zu einer kleinen Kugel. Entsetzt kniff sie die Augen zusammen.
Stimmen schallten aus dem Nebenraum. Sie lauschte zuerst nur Wortfetzen. »… Unverschämtheit! … wichtige alchimistische Arbeit … bei einem bedeutsamen Experiment stören …«, dann hörte sie Stühle rücken und Schranktüren klappen, schließlich kam das Geräusch, das sie fürchtete: Die Klinke der Zwischentür senkte sich leise quietschend. Durch den Spalt verstand sie deutlicher. »… du denn komplett wahnsinnig? Weg von der Tür! Was glaubst du, was das hübsche rote Licht bedeutet? Das ist kein Bordell, da arbeitet ein Destillator! Ja Herrgott noch mal, was lernst du denn in der Schule? Ein Verdampfer. Da entsteht Säuredampf. Giftige Dämpfe! Das ist ein Schutzraum, geht das in dein Hirn? Da, das ist Bleiglas, schau da durch. Da kannst du wunderschön sehen, wie die Säure verdampft. Wenn du Zeit hast, beobachte, wie der Stahl des Deckels schmilzt, genauso, wie deine Augen schmelzen, wenn du da jetzt hineingehst. Vielleicht wäre das gar nicht so schlecht. Kann ja eigentlich nur eine Verbesserung in deinem Gesicht machen. Gehe ruhig hinein. Ich wollte schon immer mal wissen, wie lange es dauert, bis bei diesen Ausdünstungen die Augen gerinnen.«
Rumms!, machte es und die Tür fiel zu. Luzia biss die Kiefer fest zusammen, damit die Zähne nicht klapperten. Es dauerte nicht lange, da herrschte wieder Stille im Nebenraum. Ganz allmählich entspannte sie sich. Sie hatten sie nicht gefunden. Sie kam sich vor wie ein kleines Mädchen, das die Hände vor die Augen legt und so Verstecken spielt. Das dümmste Versteck der Welt und sie hatten sie nicht gefunden.
Es erforderte eine bewusste Anstrengung, die Augen zu öffnen. Die Silhouette des Gelehrten erhob sich vor ihr, er reichte ihr den Arm. Zögerlich ergriff sie seine Hand und ließ sich hochziehen. Auf dem Herd stand eine Apparatur, aus der sich weiße Dunstschwaden lösten. Verschlungene Glasröhren führten in jede Richtung und eine braune Flüssigkeit tropfte in ein Glas. Jetzt erst bemerkte sie den aromatischen Duft, der durch den Raum zog.
»Keine Angst«, sagte er und sie hörte seine Stimme das erste Mal ohne Wut darin. Wahrscheinlich war es nur die abklingende Panik, denn sie freute sich darüber. »Das ist keine Säure. Ich arbeite hier auch mit Giften, dafür der Schutzraum. Komm, sie sind fort.«
Luzia stakste wie eine Holzpuppe hinter ihm her. Im Vorraum drückte er sie auf einen Stuhl. Kurz ging er zurück und gab ihr nach einer Weile einen Becher mit dampfender, dunkler Flüssigkeit in die Hand. Sie erkannte den Geruch aus dem Nebenraum. Automatisch pustete sie und schlürfte einen Schluck. Das war heiß und bitter, aber irgendwie tat es gut.
»Trink, das ist Kaffee«, sagte er und betrachtete sie. »Du hast Todesangst vor ihm«, bemerkte er leise.
Diese Worte brachten Luzia wieder zu sich. Sie sah hoch und
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