Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
den kleinen Haken in das Schloss am Handgelenk zu bekommen, immer bedacht, ihn ja nicht fallen zu lassen. Etwas Schlimmeres konnte ihr nicht passieren, als dass sie den Haken nach all den Strapazen jetzt verlor. Es ging nicht, es war unmöglich, sie konnte die Finger nicht so krümmen, dass sie das Schloss erreichte. Also hob sie sich so hoch auf die Zehenballen wie möglich, um an das Handgelenk der anderen Hand zu kommen. Die Kette zog die Handschelle genau in die Richtung, dass es unerreichbar war. Luzia hüpfte auf einem Bein und sprang, bis ihr das Blut die Arme herunterlief, es gelang ihr nicht. Aussichtslos. Am liebsten hätte sie laut ihre Frustration herausgebrüllt, aber damit holte sie vielleicht die Wächter herbei, also ließ sie es bleiben.
Ganz ruhig überlegen. So klug wie sie waren auch andere - und vor allem der Zentgraf. Wenn es auch spielerisch ausgesehen hatte, er hatte sie so gefesselt, dass sie sich sogar mit dem Schlüssel nicht selbst befreien konnte. Es war unausführbar, sie musste aufgeben. Am besten gestand sie sofort alles, dann wurde sie wenigstens nicht noch gefoltert. Aber den Bütteln entkam sie so nicht, die würden sich schon von ihr holen, was sie Spaß nannten. Wenn der Zentgraf sie sich vornahm, dann gab es irgendwann ein Ende, aber diese beiden würden nie aufhören, solange sie nur in ihrer Reichweite war, und noch ihre Freunde dazuholen. Nein! So weit sind wir noch nicht.
Luzia war die gelenkigste Artistin der gesamten Theatertruppe gewesen, sie hatte Kunststücke vollführt, die niemand sonst beherrschte. Ihr Körper war biegsam wie ein Weidenzweig gewesen. Noch immer schlängelte sie sich durch die engsten Fensterluken und erklomm die steilsten Fassaden. Wenn sie es nicht konnte, dann niemand. Feste Entschlossenheit ließ sie alle Zweifel vergessen. Sie sprang hoch und fasste mit beiden Händen die Kette dicht unterhalb der Befestigung, knickte die Knie ein und zog die Beine hoch bis über ihren Kopf. Wie ein Affe hing sie jetzt dicht unter der Decke. Mit bloßen Füßen hielt sie sich an den Ketten fest und ließ mit der rechten Hand los. Jetzt fielen die Ketten zu ihren Handschellen lose und sie konnte die Hand bewegen. Der Dietrich erreichte leicht das Schloss der linken Handschelle. Klack! Die Riegel fuhren auseinander. Der Rest war ein Kinderspiel. Sie öffnete auch die zweite Schelle und ließ sich auf den Boden herunter.
Wie lange hatte das gedauert? Luzia hielt sich nicht damit auf, ihre blutenden Handgelenke zu reiben. Sie stürzte auf den Stapel mit der Kleidung zu. Im letzten Augenblick zögerte sie, es rann zu viel Blut von ihren Handgelenken. Die Manschetten waren weiß, eine Frau mit blutigen Manschetten würde auffallen. Sie riss den Saum von der Schürze und machte daraus einen provisorischen Verband, dann erst zog sie sich an.
Auf Zehenspitzen und ohne den geringsten Laut schlich sie auf den Flur und in Richtung Treppe. Im Aufenthaltsraum konnte sie die Wachmänner lachen hören. Die Tür war geschlossen, welch ein Glück. Sie musste nur die Treppe hochlaufen und hoffen, dass niemand in der Kapelle betete. Beinahe rannte sie mit dem Kopf gegen die Klappe. Die Büttel hatten den ganzen Tag gewerkelt, um diesen Keller für ihre Bedürfnisse umzubauen, hatten Fackelhalter angebracht und Eisen in die Wände geschlagen. Und sie hatten ein Vorhängeschloss vor die Klappe gelegt. Der Zentgraf wusste jetzt, dass sie eine Diebin war und Schlösser öffnen konnte, daher war das Schloss ein hochmodernes mit kompliziertem Sperrfedermechanismus und massivem Bügel. Aus Amorbach kam das bestimmt nicht. Luzia ließ sich auf die Treppe fallen und stützte die Stirn in die Hände. Nicht das! Nicht so kurz vor der Freiheit!
Sie ließ die Faust auf die Treppenstufe donnern, dass es wehtat. So schnell gab sie nicht auf. Das Schloss war für sie unüberwindlich, aber die Befestigungsösen, die bildeten den Schwachpunkt. Die Büttel waren keine Schlossmacher und verstanden nichts von Sicherheit. Sie hatten die Ösen mit Nägeln in die Klappe und in die Wand geschlagen. Luzia raffte ihre Röcke und rannte in die Folterkammer. Von der Stirnseite des Gangs hörte sie die dunkle Stimme des Zentgrafen und die beiden Büttel dröhnend darauf lachen. Die Tür quietschte leise in ihrer Hand. Noch immer lagen die Eisen im Feuer. Luzia packte eines und zuckte sofort zurück. Sie faltete die Schürze und umwickelte den Griff, bevor sie eine Stange herauszog. Nicht ideal, aber sie
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