Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
ging aufgeregt wie ein Wolf im Käfig im Laboratorium herum. »Ich wusste es. Ich wusste es immer. Genauso muss es sein und nicht anders. Es gibt keine Zauberei. Es gibt nur Fingerfertigkeit und Naturgesetze. Alchimistische Reaktionen sind unter den gleichen Bedingungen immer gleich. Sterne taumeln nicht in irrem Tanz über das Himmelszelt, sondern laufen regelmäßig ihre Bahnen. Es gibt kein Chaos und Gott fügt nicht jeden Tag Wunder. Alles lässt sich so erklären. Luzia, mit deiner Hilfe kann ich Hexerei wissenschaftlich erklären! Eines Tages wird die Naturwissenschaft alles erklären können. Hexerei ist alles, was nicht wissenschaftlich erklärt werden kann - damit ist nichts mehr Hexerei. Oh ja, das wird der Inquisition einen ganz schönen Tiefschlag versetzen.«
»Eins nach dem anderen. Zuerst einmal müssen wir Magdalene helfen.«
»Natürlich. Wenn es dunkel ist. Vorher werde ich dich nicht über den Hof führen. Die einzige Nachbarin, die uns beobachten kann, ist eine halbblinde, taube Vettel, die den ganzen Tag in ihr Gebetbuch starrt. Ich wette jede Summe, dass an ihrem Balkonfenster jetzt ein Büttel sitzt. Wir müssen warten, bis es dunkel ist. Ich werde vorsichtshalber Dampf ablassen, während du zum Hausflur läufst. Dann müssen wir den Weg nur noch einmal machen. Hier drinnen bist du geborgener als in Abrahams Schoß.«
»Ein zweites Mal wird jemand kommen, der auf den Trick nicht hereinfällt.«
»Das nächste Mal werde ich dich in die Grube stecken. Jesus Christus, dass ich dir das jetzt verrate! Noch vor einer halben Stunde war ich überzeugt, es mit einer Spionin des Zentgrafen zu tun zu haben, und jetzt verrate ich dir Geheimnisse, die ich nicht einmal Magdalene preisgab. Die Grube ist … Keine Angst, das hört sich schrecklich an, es ist aber ein ganz gemütlicher Raum. Als der Keller umgebaut wurde für mein Laboratorium, habe ich vorher selbst Hand angelegt. Dieses Haus gehört schon seit Generationen der Familie. Hexenverfolgung gibt es seit Jahrzehnten und jeder weiß, wie unrecht sie ist. Trotzdem jubelt das Volk bei jeder Hexe, die grausam gefoltert und öffentlich bei lebendigem Leib verbrannt wird. Jeder kann der Nächste sein. Meine Vorfahren bauten einen Geheimraum. Immer kann es zu Situationen kommen, in denen man sich vor der Obrigkeit verstecken muss. Oder vor den Schweden.« Er grinste und sah dabei aus wie ein Junge. »Wahrscheinlich gibt es so was in jedem Haus von Leuten, die nachdenken. Ich wusste davon und hätte auch Magdalene beim ersten Mal dort versteckt. Leider wurde sie damals überraschend auf der Straße verhaftet, ich hatte keine Gelegenheit, sie hierher zu schaffen. Neben dem Herd liegt eine Grube, dadurch kommt man unter den Herd zum Auswechseln der Röhren und Steine. Eine Wand der Grube kann man aufklappen und gelangt so in den Fluchtraum. Es ist warm, hell - saubere Luft, Wasser und jede Menge Vorräte gibt es da. Zur Not mag eine komplette Familie ein Jahr dort überleben. Nachdem Magdalene freigelassen wurde, stockte ich die Vorräte auf. Luzia, wenn du mir ihren Taufschein gegeben hast, musst du keine Angst mehr leiden.«
»Grundgütiger Heiland, wie ich das ersehne! Bisher gehörte Angst zu meinem Leben. Mein Vater sagte: Angst macht vorsichtig. Zia, so nannte er mich, lasse deine Angst zu und du wirst keine Fehler machen. Es gibt einen Unterschied zwischen Angst und Panik. Mit Angst überlegt man sich jeden Handgriff und arbeitet besonders sorgfältig, aber der Zentgraf versetzt mich in Panik und ich weiß nicht, was ich tun soll, weil ich nicht mehr denken kann und meine Finger zittern. Nicht einmal meine Knie haben mehr die Kraft, mich zu tragen.«
Seine Hand fuhr leicht über ihre Wange und es war ganz anders als das berechnende, gierige Grapschen Balthasars. Lukas berührte sie nicht mit Kalkül. »Luzia«, flüsterte er. Gleich zog er seine Hand wieder zurück und räusperte sich. »Dafür warst du tapfer, Luzia, ungeheuer mutig. Ich bewundere das. Du als Mädchen stellst dich dem schrecklichsten Hexenjäger des ganzen Kaiserreichs entgegen. Wer hätte das von einer Frau gedacht.«
»Das Volk murrt ob seiner Methoden, ich wundere mich, dass niemand aufbegehrt. Unter der Folter gesteht jeder alles, das ist bekannt. Kein Richter sollte sie mehr anwenden! Es muss doch jemand etwas dagegen unternehmen! Noß tat mir nicht viel, aber er ängstigte mich so, dass ich ihm alles gestanden hätte, um dem zu entgehen, womit er mir drohte. Sind denn
Weitere Kostenlose Bücher