Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
alle Geständnisse nur so entstanden? Wie entwischte Magdalene diesem Unhold?«
»Nur durch meinen Einfluss. Sie wurde denunziert, das war in Amöneburg bei Marburg, wo wir damals wohnten. Ich beschwerte mich beim Dekan, der sich beim Fürstbischof und der gebot Noß, er möge sich mäßigen. Die Denunziation wurde zurückgenommen und sie kam frei. Dank Gott, dass alles so schnell ging. Sie hatte nichts gestanden und musste keine schlimme Folter aushalten. Er drohte ihr, dass es alles noch lange nicht vorbei sei, dass er sie schon noch erwische. Mich ereilte der Ruf als Astrologe nach Mainz und ich folgte. Wegen des Krieges kamen wir hierher nach Amorbach, aber der Krieg folgte uns. Angst bekamen wir erst, als die Schultheißin angeklagt wurde und der Oberamtmann vom erfahrenen Inquisitor in Miltenberg hörte. Er bot ihm hundert Gulden, wenn er das Rätsel um die fünf toten Säuglinge löse. Neunzig Gulden zahlte der Schultheiß Gerichtskosten, je zur Hälfte an den Oberamtmann und den Zentgrafen. Die Aussteuer der Schultheißin wurde eingezogen mit vielleicht dreihundert Gulden. So haben beide ein gutes Geschäft gemacht. Und es sitzen noch drei Frauen im Turm. Fällt es denn niemandem auf, dass es immer nur die reichen Frauen sind, auf die Verdacht fällt? Magdalene auf dem Scheiterhaufen wäre ein Vermögen wert. Mir ist sie lebendig wertvoller.«
»Ist sie denn eine so gute Hausfrau?«
Empört ruckte sein Blick zu ihr, bis er sah, dass sie spöttisch lächelte. Er ging auf ihren Scherz ein. »Ja genau, was schert ein Weib unter vielen? Soll er sich doch ein Weib suchen, der Professor, dass sie ihm das Bett wärme! So was warf man mir um die Ohren, als ich sie freibekommen wollte. Magdalene ist meine kleine Schwester. Sie kam zur Welt, als ich selbst schon hätte Nachkommen haben können. Meine Mutter starb bei ihrer Geburt, der Vater heiratete nicht mehr und die Amme trieb er bald aus dem Haus, weil sie ein böses Weib war. So pflegte ich Magdalene mehr, als es sonst ein Bruder mit seiner Schwester tut. Als Vater bald darauf der Mutter folgte, war ich allein für sie verantwortlich. Wir hatten keine Verwandten mehr außer einer wunderlichen Tante, der Schwägerin meines Vaters. Nur ungern gab ich die Kleine in ihre Obhut während meiner Studienreisen. Sofort nach meiner Heimkehr strebte sie zu mir und dachte nie daran, mich zu verlassen.«
»Will sie denn nicht heiraten?«
»Da gab es schon Freier, die Tante wollte einiges vermitteln. Magdalene wurde begehrt, jedoch sie widersetzte sich immer. An meiner Seite will ich sie nicht zwingen.« Unerwartet wurde er ernst. »Magdalene … Sie wurde denunziert, weil sie mir die Protokolle führte und im Laboratorium half. Sie verstand die Theorien besser als meine Studenten. Darum muss sie eine Hexe sein, erklärte Zentgraf Noß. Frauen von Stand dürfen zur Schule gehen, um kluge Unterhaltungen zu führen und zu verstehen, warum Männer ihr Leid klagen. Sie sollen einfühlsam trösten, ihren Gatten den Alltag vergessen lassen. Darum müssen sie wissen, wovon ein Mann überhaupt spricht. Aber selbst studieren, forschen … höchstens zum höheren Lobe des Herrn in einem Kloster und auch dann nur Krankenpflege oder Theologie. Wobei sie bei Streitigkeiten in der Fakultät selbstverständlich die natürliche Überlegenheit des männlichen Denkapparates anerkennen müssen. Genauso überlegen der Mann körperlich ist, so auch sein Gehirn. Es ist größer, arbeitet schneller und erkennt besser Zusammenhänge.«
»Glaubt Ihr das wirklich?«
»Magdalene dachte schneller und besser als alle meine Studenten. Ihre Protokolle waren fehlerfrei, weil sie überlegte, welche Nachlässigkeiten man begehen kann. Meine Studenten vergessen immer wieder die eine oder andere Formel und machen Flüchtigkeitsfehler, die man beim Interpolieren sofort erkennt. Seit ich alles selbst kontrollieren muss, habe ich die dreifache Arbeit. Sie übersetzte meine Artikel auf Griechisch und Latein und erledigte meine Korrespondenz mit Fachkollegen. Das alles wurde ihr verboten.«
»Und hält sie sich dran?«
Automatisch nickte er, dann sah er Luzia an und grinste. »Nein.«
Beide lachten und Luzia konnte mit ihren Augen nicht sein Gesicht loslassen. Sie bemerkte es nach einer Weile, aber da hatte auch er es schon entdeckt. Er stand auf, blickte in ihre Tasse und schenkte ihr nach, dann nahm auch er sich noch Kaffee. »Der letzte Kaffee, wir sollten ihn genießen. Es ist die Pflicht einer jeden
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