Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
kichern. Der Sohn eines Grafen machte mir schöne Augen, er zählte ein Jahr mehr als ich. Alles erschien uns ganz harmlos, aber gerade deshalb so herrlich, weil es uns verboten wurde. Balthasar hegte eine heftige Eifersucht auf den Jüngeren. Obwohl er seiner Mutter bei der Ernte helfen sollte, stahl er sich zu einem unserer heimlichen Treffen und beobachtete, wie mir der Junge einen Kuss gab. Wir wussten ja überhaupt nicht, was wir taten, sahen es nur als ein Spiel. Balthasar brach auf einmal durch das Stroh, hinter dem wir uns versteckten, und begann zu toben. Das sei Sünde, wir täten Unrecht, Gott solle uns strafen. Mein wackerer Begleiter ergriff das Hasenpanier und rannte panisch weg. Ich war zu verblüfft zum Fortlaufen, darum stemmte ich die Fäuste in die Hüften und schimpfte ihn aus mit meinen zwölf Jahren. Dabei geriet ich so in Rage, dass ich ihn in Grund und Boden redete und er wie ein Hund mit eingezogenem Schwanz davontrabte.«
Luzia musste lachen. »Das stelle ich mir köstlich vor! Wunderbar! Zentgraf Noß von einem Mädchen ausgeschimpft und fortgeschickt. Bravo, Magdalene!«
Überrascht sah Magdalene hoch, es verschwand ein Stück ihrer Trübsal aus den Augen. »Wir Mädchen kicherten noch nächtelang darüber. Nun, beim nächsten Stelldichein erwartete mich nicht mein Grafensohn, sondern Balthasar. Sein Vater hatte ihn gehörig verprügelt, weil er bei der Ernte gefehlt hatte. Trotzdem stahl er sich für mich erneut fort und schenkte mir sogar Bauernrosen vom Beet seiner Mutter, was ihm sicher erneut Schläge einbrachte. Zuerst unterhielten wir uns gut, aber dann wollte er auch einen Kuss. Ich nahm die Blumen und lief davon. Wir trafen uns noch drei-, viermal und immer verweigerte ich den Kuss. Für mich war es ja nur ein Spiel und ich amüsierte mich darüber, wie er jedes Mal mehr bettelte und mir immer wertvollere Geschenke brachte. Was ich erst Jahre später erfuhr: Die Halskette seiner Mutter, ihren einzigen Schmuck, stahl er. Ich nahm das Geschenk und es bedeutete nichts Großartiges für mich, zu schade zum Wegwerfen, zu schlecht zum Herzeigen. Für ihn war es aber schon etwas Besonderes und er leitete daraus Rechte ab. Diesmal bestand er auf den Kuss. Als ich nicht wollte, wurde er zornig, überwältigte mich, zerfetzte mir die Bluse und erregte sich so sehr am Kampf und am Anblick meiner bloßen Brüste, dass er mir meine Unterwäsche herunterriss. Vielleicht erkannte er in dem Moment, was er gerade im Begriff war zu tun, und zögerte. Jedenfalls konnte ich weglaufen. Natürlich rannte ich geradewegs einer Nonne in die Arme. Schnurstracks ging es zur Äbtissin, die mich genauestens befragte und aushorchte. Weil ich noch so durcheinander war und solche Angst vor ihr hatte, fabulierte ich einiges und kam mit einer gelinden Strafe davon - Nachsitzen, Beten und Strafarbeiten. Die Äbtissin sah die Schuld ausschließlich bei dem Jungen und ließ ein Exempel statuieren. Wir Mädchen alle und die Jungen des Gymnasiums mussten zusehen, wie Balthasar ausgepeitscht wurde. Sie hängten ihn nackt im Hof auf. Sechzig Hiebe bekam er. Das reicht, um einen Jungen in diesem Alter umzubringen. Ich werde niemals vergessen, wie die Haut unter der Peitsche aufsprang und das Blut hervorschoss. Man ließ ihn wochenlang im Krankenrevier und verstieß ihn dann. Sein Vater hätte wahrscheinlich den Rest besorgt und ihn totgeschlagen, aber man ermöglichte ihm, als Novize zu den gestrengen Dominikanern zu gehen, um seinen Charakter zu bessern.«
»Gott, wie grausam! Wie alt war er? Dreizehn? Vierzehn? In welcher Welt leben wir, dass man einem Jungen so was antut! Ich fragte mich, wie ein Mann einen solchen Charakter bekommt. Jetzt weiß ich es. Eigentlich müsste man Mitleid mit ihm haben.«
»Es kommt noch schlimmer. Mit sechzehn, nach Abschluss des Lyzeums, schickte mich meine Tante auf eine dreiwöchige Wallfahrt zum Höhere-Töchter-Seminar und zur Vorbereitung auf die Ehe. Es ging um Hauswirtschaft, Säuglingspflege, Kindererziehung, was man so lernt. Einen ganzen Tag lang wurde uns vorgetragen über Keuschheit während der Ehe und Frömmigkeit. Und diesen Vortrag hielt ausgerechnet Balthasar Noß. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, trug ich auch noch das Medaillon seiner Mutter. Jahrelang hatte ich nicht mehr daran gedacht und ausgerechnet an diesem Morgen ermunterte mich eine Freundin, die in meiner Schmuckschatulle kramte. Wir erkannten einander sofort, aber er tat so, als ob ich eine völlig
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