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Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)

Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)

Titel: Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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Fremde sei. Den kompletten Vormittag erklärte er uns, wie minderwertig der Körper einer Frau sei und wie sich ihre Charakterschwäche und Verderbtheit daraus ableite. Nach dem Mittagsmahl kam ich zu ihm an den Tisch und sagte ihm, wie sehr mir leid tat, was damals passierte. Er hörte sich alles an und verzog keine Miene. Er habe seine Lektion gelernt, das Leben eines Dominikaners sei nicht geeignet, Wollust und fleischliche Sünden hervorzubringen. Das sei Vergangenheit. Sein Leben sei rein und keusch und für Weiber habe er nur Verachtung übrig. Es reichte mir, ich drehte mich um und ging. Im letzten Moment nahm ich das Medaillon ab und legte es ihm kommentarlos vor den Teller. Am Nachmittag bläute er uns die Freude am Gebären ein und dass Schmerz die gottgewollte Strafe für Wollust sei, sowohl beim Geschlechtsakt als auch bei der Geburt. Frömmigkeit bewiese die Frau, die während des Aktes Schmerzen suche, um nicht in Gefahr der Lust zu geraten. Er bat inständig, dem Gatten das bei ihm erhältliche Dornenband umzulegen, das die verderbten Organe des Weibes züchtige und Demut lehre. Leider sei das Dornenband nur einseitig zu gebrauchen, da es sonst die Beiwohnungsfähigkeit des Mannes unterbinde. Dem Gatten sei anzuempfehlen, sich hinterher zu geißeln. Wir verließen alle sehr betreten seine Vorlesung.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Welch perverse Vorstellung! Das wird allen Ernstes junge Edelfräulein gelehrt?« Luzia musste sich zusammennehmen, als sie sich vorstellte, was einer ihrer Liebhaber ihr erzählen würde, wenn sie ihm vorschlug, sich hinterher zu geißeln. Und, oh ja, von diesen Dornenbändern hatte sie schon gehört. Sie hatte mal etwas mit einem Kutscher gehabt, dessen langjährige Herrin von ihrer Schwiegermutter angehalten wurde, es zu benutzen. Der hochwohlgeborene Herr Gemahl folgte dem Rat seiner Mutter und achtete darauf, es nie ohne zu tun. Die Herrin des Kutschers vermied den Kontakt zu ihrem Gemahl, wenn irgend möglich. Der treue Kutscher dagegen fand ihr Wohlgefallen, weshalb sie ihrem Gemahl auch regelmäßig Erben schenkte. Der Anflug von Heiterkeit verging sofort, als Luzia sah, wie Magdalene sich mühsam in eine andere Position auf dem Sessel stemmte. Nein, ein fröhliches Erlebnis hatte sie wahrlich nicht hinter sich. Ihre Stimme klang schwach, als sie weitererzählte.
    »Am Abend fand ich unter meiner Tür einen anonymen Zettel, er wolle sich heimlich mit mir treffen. Ich verstand, dass er im Refektorium nicht mit mir reden konnte, und vergab ihm in diesem Augenblick auch seine abweisende Art. Also schlich ich mich aus dem Schlafsaal zu der Bank am Waldrand, dem Treffpunkt. Wir verschwanden gleich unter den Bäumen, damit uns niemand sah. Er gab sich ganz verändert, sagte, wie sehr er es mir anerkenne, dass ich ihm das Medaillon zurückgebe. Seine Mutter sei im letzten Jahr qualvoll gestorben und es sei das Einzige, was ihn an sie erinnere. Mitleidig ergriff ich seine Hand und wollte ihn trösten. Sogleich packte er sie und ließ sie nicht mehr los. Die Dominikaner hätten ihn gelehrt, wie verdorben und sündig ein Weib sei, aber er könne nicht glauben, dass es keine Ausnahmen gebe, wo wir doch die Heilige Jungfrau Maria anbeteten. Mich habe er immer rein wie einen Engel in Erinnerung und er denke immer wieder daran, wie standhaft ich der Sünde widerstrebt hatte. Seine Strafe sei gerecht und lehrsam gewesen. Die Gelübde wolle er noch in diesem Jahr sprechen, aber wenn ich ihm meine Hand reiche, für mich sei er gewillt, allen Gelübden zu entsagen. Mit mir wolle er eine Ehe führen so gottesfürchtig, wie sein Vortrag es uns lehrte.«
    Luzia riss die Augen auf. Magdalene war die große Liebe von Zentgraf Noß? Oh ja, die Liebe als der kleine Bruder des Hasses. Seine Liebe, nicht erwidert, schlug um in Hass – Hass nicht nur gegen die Geliebte, sondern gegen jede Frau.
    »Vor lauter Verblüffung blieb mir die Luft weg und er sah das als schweigendes Einverständnis. Gleich begann er zu spekulieren über die Zustimmung meines Bruders, unseren Lebensunterhalt, bestimmte die Anzahl unserer Kinder und die Tage, an denen Beischlaf Pflicht sei. Irgendwann konnte ich nicht mehr ertragen, wie er dabei meine Hand streichelte. Ich entriss sie ihm und sagte ihm meine Meinung: dass nur Mitleid mich in den Wald gebracht hatte, dass ich ihn niemals liebte und nie lieben werde, dass ich niemals einen wortbrüchigen Mönch ehelichen wolle. Vor lauter Empörung gab er mir eine

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