Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
strengen Tagesablauf, siebenmal am Tag versammelt man sich zum Gebet, alle niederen Tätigkeiten muss man freudig verrichten und Bücher oder Studium sind nur nach jahrelangem Wohlverhalten erlaubt. Krankenpflege entspricht nicht meiner Neigung. Der Anblick von Wunden erregt Übelkeit in mir und der Geruch verbrannten Fleisches …«
Darauf konnte Luzia nichts sagen. Sie dachte an Eisen, die für diesen Zweck im Feuer lagen. Würde sie jemals wieder in ein Feuer sehen können, ohne an verbranntes Fleisch denken zu müssen? Welch Glück sie gehabt hatte! Ein Wunder, dass Zentgraf Noß sie mit ihrer Aufsässigkeit nicht sofort aufgeknüpft hatte. Wohl nur, weil er sich weitaus Befriedigenderes mit ihr aufgehoben hatte. Nur nicht mehr daran denken!
Luzia stand auf und räumte Brot und Käse auf den Tisch. Noch hatten sie frische Lebensmittel, die in einem Nebenraum kühl gestellt waren. Dort lagerten im Sandbett Wurzeln und Früchte, die sich lange hielten, daneben Geräuchertes und Gesalzenes und, sehr wichtig, Wachslichte. In einem anderen Raum gab es Getreide und Getrocknetes. Mit einer kleinen Handmühle konnte sie mahlen und aus dem Mehl Brot backen. Der Herd hatte einen Schornstein, der an den Hausschornstein angeschlossen war. Es gab, was Luzia äußerst praktisch fand, eine Wasserleitung, die vom Hausbrunnen abzweigte. Hier litten sie keinen Mangel. Ein Jahr konnte man ohne Hilfe von außen hier leben, hatte Lukas gesagt. So lange wollte sie bestimmt nicht hier bleiben, aber es war auch nicht die Gefangenschaft, die sie fürchtete. Magdalene schien eine angenehme, wenig anspruchsvolle Gesellschaft. Eilig hatte Luzia es also nicht, von hier weg zu kommen - wenn es denn hier sicher war.
Magdalene pickte von dem Essen wie ein Vögelchen, trotz Luzias gutem Zuspruch. Bald deckte sie das Bett auf und legte Magdalene ein Nachthemd hin. Sie nahm es und ging zur Waschschüssel, entblößte sich allerdings erst, als Luzia einen Wandschirm aufklappte und dahinter blieb. »Soll ich helfen?«, fragte Luzia, aber Magdalene verneinte und kam bald darauf im Nachthemd wieder. Das Bett war breit genug, dass sie beide bequem Platz darin hatten. Luzia blies das Licht aus und schloss die Augen. Nach einer Weile flüsterte Magdalene: »Bitte, Luzia, halt mich fest!«
Natürlich drehte Luzia sich herum und umarmte Magdalene. Sie spürte, dass ihre Schultern zuckten, die Tränen der Jungfer hinterließen Feuchtigkeit auf ihrem Nachthemd. Magdalene schluchzte noch einmal auf, dann wischte sie sich über die Augen. »Danke, Luzia. Ich bin ja so froh, dass du da bist. Wenn ich mir vorstelle, jetzt völlig allein hier liegen zu müssen …«
Luzia antwortete nicht. Ihr machte Einsamkeit nichts aus, aber es war besser, wenn man jemanden hatte. Magdalene hatte schon viel schlimmere Dinge erlebt als sie in ihrem ganzen Leben. Noch nie war sie erwischt worden, trotzdem ständig auf Flucht gefasst. Oft genug hatte sie Hals über Kopf fliehen müssen, doch eingesperrt hatte sie noch niemand. Der größte Alptraum war es, von Zentgraf Noß eingesperrt zu werden, hilflos seinen Bütteln ausgeliefert. Er selbst schien ja wohl auch nicht besser zu sein, wenn man bedachte, was er Magdalene angetan hatte. Dabei gab er sich so fürsorgend, so väterlich.
»Er verstellt sich nicht«, murmelte sie und erschrak, dass sie es laut sagte. Auf Magdalenes fragenden Laut redete sie weiter. »Er glaubt wirklich, was er sagt, dass er den Frauen einen Gefallen tut, die er foltert. Es ist keine Lüge, wenn er freundlich tut. Er ist überzeugt davon, dass Menschen an sich gut sind und nur Satan sie zu etwas anderem als hehren Engeln macht. Genügend Strafe treibt das Böse aus und gebiert Wohlverhalten. Um was wollen wir wetten, dass er sich selbst hart dafür bestraft, was er dir antat?«
Magdalene lachte auf. »Jedes Mal, wenn er eine Frau foltert, bestraft er sich dafür! Als er … Mein Gott, ich kann das wirklich niemandem sagen! Luzia, du hast selbst einiges erlebt. Bitte verzeih mir, wenn ich dich damit belaste, aber ich halte es so nicht aus. Du weißt jetzt schon so viel, da will ich dir auch noch den Rest erzählen.« Sie wartete das Kopfnicken Luzias ab, dann lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. »Es war einer der Studenten von Lukas. Er nimmt sie hart ran und beschimpft sie, wenn sie ein Experiment verderben. Manchmal ist er ungerecht, aber seine Forschung bedeutet ihm so viel … Da vergisst er alles, selbst die elementarste
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