Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
Familie ein Hindernis. So pessimistisch sehe ich meine Situation nicht. Ich habe eine große Hürde überwunden. Jetzt liegt wie eine weite Ebene mein Leben vor mir. Ich kann mich in die Richtung wenden, die mir gefällt.«
»Und du, Luzia?« Lukas nahm verstohlen unter dem Tisch ihre Hand. »Du willst nach Bayern?«
»Das wird nicht so einfach werden. Man sucht noch immer den Einbrecher. Der Stadtrat erwartet ein feindliches Heer, weshalb man auch wieder auf der Stadtmauer patrouilliert. Die Tore werden jetzt nachts bewacht, niemand kann mehr unbemerkt vorbeihuschen. Nur Glück, dass wir es vor der Verschärfung der Wache schafften. Wer weiß, wenn man mich aufgreift, vielleicht beschuldigt man mich, das möchte ich nicht riskieren. Noch ein paar Tage, dann steht vielleicht kein Posten mehr vor dem Tor und ich kann mich nachts hinausstehlen. Dürfte ich so lange noch hier zu Gast bleiben?«
Lukas hielt ihre Hand so fest, als ob er sie nicht mehr loslassen wollte. »Sehr gerne. Wir haben dir so viel zu verdanken, dass ein wenig Gastfreundschaft das mindeste ist, was wir dir Gutes tun können. Diese Stadt hat dir nur Qualen und Aufruhr gebracht, du wirst froh sein, sie zu verlassen.«
»Insgesamt gesehen hatte ich aber Glück. Dem Schlimmsten konnte ich entkommen und danach entwickelte sich doch alles sehr positiv. Vor allem habe ich Kameraden gefunden. Das entschädigt mich für alles.«
»Nun, ich werde mich nach diesem aufregenden Tag zur Ruhe begeben«, sagte Doktor Patrizius. »Ihr erlaubt, dass ich Eure Erlebnisse meinen Freunden weitergebe. Ich denke schon, dass sich in den nächsten Tagen jemand an Euch wendet, Herr Doktor Wegener. So wünsche ich denn eine gute Nacht.«
Artig verbeugte er sich und Magdalene sprang auf, um ihn zur Tür zu begleiten. Da erst fiel Luzia auf, dass Lukas ihre Hand noch immer fest gepackt hielt. »Du hast Kameraden gefunden? Es ehrt mich, wenn du mich damit meinst.«
»Sicher meine ich Euch damit, Herr. Ihr wart ein guter Kamerad, sogar ein Freund. Sagt ruhig, dass Ihr alles nur für Eure Schwester getan habt, aber Ihr hättet ihr auch ohne mich helfen können. Unter größten Gefahren habt Ihr mich aufgenommen und versteckt, als ich Hilfe am nötigsten brauchte. Danke, Herr Lukas.«
»Bitte, Luzia, sag nicht mehr Herr zu mir.«
Sie hob ihr Gesicht, so dass er gar nicht anders konnte, als sie zu küssen. Es war nur ein kurzer, leichter Kuss, doch sie konnte ganz genau spüren, wie sehr seine Lippen dabei zitterten. Als er sie losließ, ruhten seine Augen auf ihr. Im Flur hörten sie Magdalene die Tür schließen. »Das müssen wir wiederholen«, flüsterte Luzia, sprang auf und trug das Glas des Rechtsanwaltes heraus. Als sie zurückkam, setzte sich Magdalene wieder zu ihnen und starrte nachdenklich in ihren Wein. »Und wenn er seine Gefolgsmänner von der Inquisition überreden kann, dass alles nur eine Intrige ist?«
Luzia ließ sich von Lukas den Rest aus der Weinflasche geben. »Das mögen sie ihm ja mit den Aussagen glauben, weil sie vom selben Advokaten kommen. Es ist sein Wort, dass sie von drei verschiedenen Frauen gemacht wurden und eine schon drei Jahre alt ist. Auch das Buch kann ihm ein geschickter Taschendieb untergeschoben haben, wenn auch seine beiden Knechte schon vor Zeugen aussagten, dass niemand ihm nahe kam. Aber die Wunden an seinem Körper, wie soll er die erklären? Und wie soll er begreiflich machen, dass du sie sahst? Zumindest um die Unzucht kommt er nicht herum. Wenn er alles darf als Inquisitor, aber gerade das nicht. Seine Arbeit ist er los - so oder so.«
»Arbeit!« Lukas lachte. »Es handelt sich um eine hochheilige Profession, keine Arbeit! Arbeit bedeutet, die Böden zu schrubben. Wenn man es nicht richtig macht, fliegt man, dann schrappt man eben Karotten oder hängt Wäsche auf die Leine. Das ist Sache der niederen Schichten. Profession bedeutet, dass man eine Verantwortung hat. Man kann eine Profession nicht so ohne weiteres hinwerfen! Wo kämen wir hin, wenn ein Lehrer etwas Falsches erzählt und gleich seines Amtes enthoben wird? Oder ein Minister trifft eine dumme Entscheidung und quittiert den Dienst? Wer hätte mehr Interesse daran, einen Fehler wiedergutzumachen, wenn nicht der, dem man diesen Fehler ankreidet? Er weiß doch auch schließlich, was genau er falsch gemacht hat und was zu tun ist, es zu ändern. Soll er sich zurückziehen und zusehen, wie andere seinen Dreck wegräumen und dabei auf ihn schimpfen? Wer stiehlt sich
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