Die Hexe soll brennen
durfte der Pfleger nie wissen! Sie schämte sich deswegen noch immer entsetzlich. Wenn er sagte, daß es im Hof gewesen war, wollte er sie schützen. Eine Brücke wollte er ihr bauen.
»Ja«, antwortete Katharina. »Nach dem Essen hab' ich ihn auch noch im Schloßhof getroffen.«
Hanndloß warf dem Pfleger einen triumphierenden Blick zu. Michel selbst wirkte plötzlich noch verwirrter als das Mädchen. Bin ich in jener Nacht denn selbst betrunken gewesen? dachte er. Ich – und nicht der Hanndloß?
»Und was habt ihr getan, als ihr im Hof zusammen standet?« fragte er Katharina mit matter Stimme.
»Geredet«, erwiderte das Mädchen zögernd. »Nur geredet …«
»Worüber?« Die zwangsläufige Routine des Verhörs gab dem Pfleger ein wenig Haltung zurück.
Katharina blieb erneut stumm.
Ehe der Pfleger nachhaken konnte, trat Hanndloß mit dem Protokoll in der Hand vor. Sein Gesicht wirkte jetzt ausnehmend freundlich. Ganz unbeschwert begann er aus dem Schriftstück vorzulesen – jene Passagen, in denen er selbst Katharina zitiert hatte. Als er geendet hatte, fragte er harmlos: »Über diese Dinge haben wir gesprochen, nicht wahr?«
Katharina, von der Freundlichkeit des Eisenamtmanns irritiert, nickte, ohne nachzudenken. Einen Lidschlag später errötete sie, wollte noch etwas sagen. Daß sie das damals alles nur erfunden hatte, um den zudringlichen Hanndloß abzuwehren. Daß sie lediglich einen Betrunkenen hatte einschüchtern wollen. Doch sie kam nicht mehr dazu, auch nur einen einzigen Ton hervorzubringen.
Denn der Eisenamtmann schnappte, jetzt wieder scharf und gnadenlos: »Du gibst es also zu, daß du eine Hexe bist! Auch deine Mutter und die Weinzierlin!«
»Nein …«, stieß das Mädchen hervor. »Ich …«
»Du hast es bereits zugegeben! Versuche jetzt nicht, dich wieder herauszuwinden. Du hast gestanden, und der Pfleger hat es gehört! Ihr habt's gehört, Michel, oder?«
»Ich habe es gehört«, sagte der Pfleger mit ersterbender Stimme. »Katharina, wie konntest du …« Er schüttelte verwirrt den Kopf, war jetzt nichts weiter mehr als ein fassungsloser Junge, gegenüber der Schläue des Hanndloß ein verdattertes Kind trotz seiner zweiunddreißig Jahre. Er drehte sich um, wandte sich dem Eisenamtmann zu, fast, als bäte er diesen, die Untersuchung weiterzuführen.
Und Hanndloß nahm den ihm aus Hilflosigkeit zugespielten Ball nur zu gerne auf. »Ihr wißt nun, daß ich Euch nicht belogen habe«, sagte er verschwörerisch zum Pfleger. »Selbstverständlich wird das Mädchen nun wieder alles abzustreiten versuchen, wird möglicherweise auch Geschichten erfinden, um sich reinzuwaschen und andere in den Dreck zu zerren. Aber Ihr habt es gehört, Michel! Sie hat das Protokoll bestätigt, das ich selbst zuvor beeidet habe. Das allein gilt!« Er holte Luft, um seinen abschließenden Worten den richtigen Nachdruck zu geben: »Die Grueber-Dirn muß sofort zurück in die Hexenkaue. Dazu die Mutter, die genannte Weinzierlin, auch sonst die ganze Brut. Dann muß mein Protokoll an die kurfürstliche Regierung zu Straubing gesandt werden. Für Euch ist der Fall zu groß geworden, Kaspar Michel. Jetzt werden die gelehrten Kommissäre sich damit beschäftigen müssen.«
Als von der Hexenkaue die Rede gewesen war, hatte Katharina gequält aufgestöhnt. Jetzt blickte sie flehend auf den Pfleger. Doch der würdigte sie – er mußte sich allerdings dazu zwingen – keines Blickes mehr.
»Ich hole den Büttel«, sagte er tonlos zu Hanndloß. »Paßt Ihr mir inzwischen auf das Mädchen auf.«
»Gerne«, erwiderte der Amtmann, während Kaspar Michel den Raum verließ. Als Hanndloß mit Katharina allein war, zischte er ihr zu: »Jetzt schadet's nicht einmal mehr was, wenn du erzählst, daß ich zu dir in die Kammer gekommen bin. Jetzt wird dir niemand mehr glauben. Bist geliefert, Schwanztäuscherin, Hex'! Hast mich nicht umsonst da verletzt, wo es einem Kerl am übelsten tut. Jetzt wirst du deine Strafe bekommen – das schwöre ich jetzt dir!«
Katharina, die nun alles begriffen hatte, sank vor ihm auf den Boden, umklammerte seine Beine. »Habt doch Gnade!« flehte sie. »Bitte!«
»Würdest du es doch noch mit mir treiben, wenn ich gnädig wäre?« fragte Hanndloß scheinheilig.
»Ja, um aller Heiligen willen, ja!« beteuerte Katharina, und gleichzeitig schüttelte sie der Ekel.
Der Eisenamtmann stieß sie mit einem Fußtritt von sich. »Aber ich will dich nicht mehr«, sagte er grinsend. »Da
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