Die Hexe soll brennen
weiß ich mir bessere Weiber, die keine Hexen sind. Einmal hättest du es von mir haben können, aber jetzt bekommst du nur noch den Tod von mir.« Er lachte gellend – ein abgewiesener Bock, der seine Rache bekommen hatte.
Als der Pfleger zusammen mit dem Büttel eintrat, fanden sie Katharina winselnd in einer Ecke vor. Der Eisenamtmann stand teilnahmslos am Fenster.
»Habt Ihr sie etwa geschlagen?« fragte erschrocken Michel.
»Nein, es ist nur ein neues Spiel, das die Hexe da treibt«, antwortete Hanndloß. »Ihr wißt doch, dieses Pack kennt alle möglichen Ränke.«
»Die werden wir ihr schon austreiben«, versprach der Büttel und zog Katharina am Oberarm hoch. »Los, Mädchen, zurück in die Kaue!«
Als Katharina Grueber fortgebracht worden war, blieb der Pfleger fassungslos in seiner Amtsstube zurück. Auf dem Pult lag das Protokoll, bereits jetzt einem Todesurteil gleich. Totenblaß stand daneben Kaspar Michel. Durch das Fenster konnte er sehen, wie der Knecht das Mädchen in die Kaue stieß. Wie Hanndloß sich vergewisserte, daß der schwere Außenriegel richtig vorgelegt wurde, wie der Amtmann danach quer über den Hof ging und verschwand – allein, so wie ihn der Pfleger auch damals in der Nacht beobachtet hatte. Doch selbst an diesen Augenschein konnte Kaspar Michel inzwischen nicht mehr glauben.
»Wahrscheinlich ist sie tatsächlich eine Hexe«, murmelte er nach einer Weile. »Unglück genug hat sie über sich und andere gebracht. Wahrscheinlich gehört sie in die Kaue, ins stinkende Stroh. Wahrscheinlich ist der Eisenamtmann klüger als ich. Der Hanndloß hat geschafft, was den Kapuzinern und dem Geislinger Pfarrer nicht gelungen ist. Er hat sie als Hexe überführt. Hat's zu Protokoll gegeben und beeidet. Und nun kann keiner mehr was dagegen machen.«
Er nahm das Blatt Papier in die Hand. Einen Augenblick schien es so, als wollte er es zerreißen, zerfetzen. Doch dann klappte er den Deckel des Schreibpults auf und legte das Dokument sorgfältig in die Lade darunter. »Sie ist wirklich eine Hexe«, sagte er noch einmal und war gleichzeitig entsetzt über sich selbst, Katharina, das ganze Leben.
***
»Du bist ja verrückt! Katharina und eine Hexe! Das werde ich nie und nimmer glauben!« Anne Michel, die bei Sonnenuntergang von ihrer Wallfahrt zurückgekehrt war, hatte in ihrem Zorn, ihrer Scham den Gatten am Brustlatz gepackt und schüttelte ihn, tat es in ihrer Empörung mit der Kraft eines Mannes. »Wie konntest du dich bloß so von diesem nichtswürdigen Zöllner einwickeln lassen? Der kann viel beschwören, was sich letztlich als Meineid herausstellt. Los, sofort holst du die Katharina aus der Kaue, wenn du noch einen Funken Gewissen hast. Das Mädchen ist ebenso unschuldig wie ich, daß du's weißt!«
Der Pfleger machte sich von seinem Weib los. »Ich kann nichts mehr ändern«, erwiderte er. »Der Hanndloß hat seine Anklage zu Protokoll gegeben und beschworen. Und die Katharina hat sie bestätigt, ohne Ausnahme. Hat damit zugegeben, daß sie eine Hexe ist. – Der Fall geht morgen nach Straubing an die Regierung. Ich kann nichts mehr dazu tun und will es auch nicht. Denn du täuschst dich, Frau. So harmlos, wie wir immer gedacht haben, ist die Gruebersche nicht. Schließlich hat sie's eingestanden, daß sie es mit dem Teufel hat. Als es bloß der Hanndloß behauptet hat, da habe ich ihm noch nicht geglaubt. Aber dann hat sie es selbst zugegeben …«
Da ging Anne zum Bücherbord und nahm den schmalen Band heraus, in dem sie in letzter Zeit oft gelesen hatte: die Cautio Criminalis des Jesuiten Spee, gedruckt im Jahre 1631 zu Köln. Sie zeigte das Buch ihrem Gatten, hielt es ihm entgegen wie eine Anklage. »Und das hier hast du ganz vergessen?« In ihren Augen standen Tränen. »Vergessen, daß es nach der Meinung dieses Priesters gar keine Hexen gibt? Vergessen, daß sie mir meine eigene Verwandte unschuldig verbrannt haben? Daß ich selbst vielleicht auf dem Scheiterhaufen hätte landen können zu Coburg? Sag, hast du das alles auf einmal vergessen? Vergessen, daß wir untereinander so oft über den Wahnsinn der Hexenprozesse gesprochen haben? Kaspar, das kann doch nicht sein! Du kannst doch nicht wirklich glauben, daß dieses zwölfjährige Mädchen …«
Der Pfleger wirkte verzweifelter denn je. »Anne«, flehte er. »Du hast ja recht – und doch wieder nicht recht. Bis heute vormittag war alles noch so klar für mich. Aber dann der Eid des Hanndloß – und seine Aussage,
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