Die Hexe soll brennen
daß er in jener Nacht Katharina im Schloßhof getroffen habe. Ich selbst hatte ihn allein hinausgehen sehen. Aber das Mädchen bestätigte, mit ihm im Hof gesprochen zu haben. Das beweist doch, daß sie eine Hexe ist, daß sie über Hexenkräfte verfügt, daß sie mich, den Pfleger, damals mit Blindheit hat schlagen können. Sie hat uns getäuscht, Anne, dich und mich. Das würde ich jetzt auch beschwören können!«
»Getäuscht bist du wohl worden«, antwortete Anne leise. »Vielleicht auch von Katharina – ganz sicher aber von diesem Hanndloß. Nur kann ich beim besten Willen nicht begreifen, wie das alles zusammenhängt. Ich kann dich nur noch einmal bitten: Gib das Mädchen frei und verbrenne dieses unselige Protokoll!«
Kaspar Michel brauchte ungewöhnlich lange, bis er antwortete: »Ich bin der Pfleger. Ich muß meine Pflicht tun. Du kannst mich nicht davon abhalten, Anne.«
Da ging die Frau wortlos hinaus. Das unscheinbar gebundene Buch des Jesuiten Spee nahm sie mit.
Die Verhaftung
Juni 1689
»Aus allen Prämissen ist zu schließen, daß die Behauptung gut katholisch und sehr wahr ist, daß es Hexen gibt, welche mit Hilfe der Dämonen, kraft ihres mit diesen geschlossenen Paktes, mit Zulassung Gottes wirkliche Hexenkünste vollbringen können, ohne auszuschließen, daß sie auch Gaukeleien und Phantasiestückchen durch Gaukelkünste zu vollbringen imstande sind.«
(Hexenhammer)
Seit dreißig Tagen faulte Katharinas Leib in der Hexenkaue. Das Gewand, das sie am zweiten Maitag getragen hatte, war zu stinkenden Lumpen verrottet; die Fetzen bedeckten kaum noch ihre Blößen. Die Nägel des Mädchens hatten sich über Finger- und Zehenkuppen gekrümmt, unter dem Horn grindeten Fäkalienreste und Schmutz. Im stumpf gewordenen Haar nisteten die Läuse. Da in dreißig Tagen kein einziger Sonnenstrahl sie getroffen hatte, war Katharinas Haut widernatürlich bleich geworden. Ihre Pupillen hinter entzündeten Lidern starrten eulengroß. Das alte Stroh, auf dem sie seit dreißig Tagen kauerte, war zu fauligem Matsch geworden. Die Kettenschelle hatte ihr das Handgelenk aufgeschwollen und verschorft. Katharinas Bauch war aufgetrieben, und das wäre noch viel schlimmer gewesen, wenn die Pflegerin ihr nicht ab und zu ein Stück Brot zur Wassersuppe hätte durch den Büttel zustecken lassen. Das aber war alles an Barmherzigkeit gewesen, was Katharina in diesen dreißig Tagen hatte erfahren dürfen; mehr hatte der verstörte Kaspar Michel nicht gestattet.
***
Während das Mädchen in der Hexenkaue mehr und mehr vertierte, schlimmer hausen mußte als ein Vieh, studierten in der kurfürstlichen Stadt Straubing, zwei Reitstunden von Pfatter entfernt, der Regimentsrat Franz von Scherer und der Kriminalkommissar Anton von Edlmar lange und ausführlich jenes Protokoll, das am zweiten Maitag der Eisenamtmann Hanndloß dem Pfleger zu Pfatter diktiert und aufgezwungen hatte. Weil es sich bei diesem Fall – das war von vornherein und ganz offensichtlich klar – um ein Kriminalverbrechen der schwersten Art handelte, waren die Herren direkt von der kurfürstlichen Regierung beauftragt worden. Nun wälzten und wendeten der Regimentsrat und der Kommissar jedes einzelne Wort, das auf dem groben Papier geschrieben stand. Sie ereiferten sich darüber mehr und mehr, wurden von Tag zu Tag hitziger, und um die Mitte des Monats Mai kamen sie, ob der schier unglaublichen Schwere des Verbrechens, überein, auch noch Wolf Hainrich Notthafft, den Grafen und Herrn zu Wernberg, außerdem Vizedom, um Beistand zu bitten.
Eine Abschrift des Pfatterer Protokolls, dazu ein dickes Bündel Kommentare des Regimentsrates und des Kommissars gingen mit einem berittenen Kurier auf das Schloß des Grafen in der nördlichen Oberpfalz. In seinem Turmzimmer hatte sich nun auch Wolf Hainrich Notthafft mit dem teuflischen Fall zu befassen.
Der Vizedom, ein Magnat von eher geringen Geisteskräften, verbohrte sich schnaufend und weintrinkend in das Protokoll und die wüst formulierten Kommentare, fluchte immer öfter in der unchristlichsten Art und Weise und sah sich von Tag zu Tag weniger imstande, sich seinerseits vernünftig zu dem Wust zu äußern. Er war nur noch verwirrt und hätte die Geislinger Hexenbrut am liebsten eigenhändig am nächsten Baum aufgeknüpft, um der mißliebigen Papierfechterei so schnell wie möglich ein Ende zu machen. In seiner Not suchte der Graf gegen Maiende die Hauskapelle seines Geschlechts auf. Dort kniete er neben
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