Die Hexe soll brennen
dem in Rotmarmor gehauenen Bildnis eines seiner ritterlichen Ahnen aus dem vierzehnten Jahrhundert nieder. {*} Rosenkränze murmelnd, betrachtete er eingehend das Bildnis seines Vorfahren mit dem martialischen Schnurrbart im von spitzer Kettenhaube gerahmten Gesicht, dem Wappenkleid mit lendentiefem Schwertgurt, der übermannshohen Lanze, die dem damaligen Herrn von Wernberg an den Leib gekettet war. Und beim Anblick dieser Kette kam Graf Wolf Hainrich Notthafft endlich die Erleuchtung in der Hexensache von Geisling. Nachdem er den Rosenkränzen dankbar noch ein Vaterunser draufgesetzt hatte, eilte er zurück in sein Turmgemach, wischte Protokoll und Kommentare beiseite und schrieb umgehend nach Straubing, daß nicht nur die Katharina Grueber, sondern auch deren vermaledeite Eltern sowie die verfluchte Christine Weinzierlin in Ketten nach Straubing in die Fronfeste gebracht und dort in Gefangenschaft gehalten werden sollten. Damit habe man dann die schlimmste Hexenbrut beisammen und könne der weiteren Gerechtigkeit ihren Lauf lassen. Er, Notthafft, selbst werde bei der peinlichen Befragung zugegen sein und zu diesem Zweck am letzten Maitag in Straubing eintreffen, worauf man am ersten Juni mit Hilfe der Geistlichen scharf gegen die Hexenbrut vorgehen wolle.
Nachdem dieses Schreiben erledigt war, ließ der Graf ein Pferd satteln und ritt, fröhlicheren Sinnes als lange, zur Jagd. Ein Kurier preschte unterdessen nach Straubing.
***
Der klare Befehl des Grafen erlöste auch die Herren von Scherer und Edlmar aus ihrer juristischen Verwirrung, und schon eine Stunde, nachdem das Schreiben des Vizedom bei ihnen eingetroffen war, machten sie sich, von einem Dutzend gewappneter Reiter aus der Fronfeste begleitet, nach Geisling auf. In Pfatter wurde kurz gehalten und dem auffallend schweigsamen Pfleger mitgeteilt, daß er noch bis zum Abend weitere Gefangene in seine Hexenkaue bekommen werde. Einen Tag später sollten dann sämtliche Hexen nach Straubing überführt werden. Der Pfleger selbst solle sich bereithalten, dem Gericht beizusitzen.
Als Kaspar Michel darauf nicht gleich antwortete, tröstete ihn der Kriminalkommissar Anton von Edlmar: »Ich weiß, das bedeutet eine Inkommodation für Euch, doch darf ich Euch aus eigener Erfahrung sagen, daß derlei Spektakel zuweilen recht unterhaltsam sein können. Wir sehen uns also, auf Befehl des Grafen zu Wernberg, am ersten Juni in der Fronfeste wieder.«
Damit ließ er den betroffenen Pfleger stehen, setzte sich, zusammen mit dem Regimentsrat, wieder an die Spitze der Kürassiere und führte den Trupp weiter nach Geisling.
Katharina in ihrer stinkenden Kaue hatte die Stimmen, das Stampfen der Gäule; das Klirren der Harnische und Waffen vernommen, und weil geschundene Menschen oft hellsichtig zu werden pflegen, bemächtigte sich ihrer eine Angst, die mit keiner in ihrem bisherigen Leben zu vergleichen war. Doch einstweilen geschah nichts; die niedrige Tür zu ihrem ekelhaften Gefängnis blieb geschlossen.
Die beiden Räte und das Dutzend Trabanten trabten, Erdkrumen und Blütenstaub aufschleudernd, aufwehend, durch die Donaumarsch nach Westen, streiften Auengestrüpp, setzten durch halb verlandete Altwasser. Eisen klirrte, Lederzeug knarrte, um schabrackenverzierte Zügel spannten sich die Fäuste. Einer der Straubinger Soldaten war ortskundig, stammte selbst aus dieser Gegend. Auf seinen Wink hin zog sich der Trupp am Dorfrand von Geisling auseinander, und im Handumdrehen war der etwas abseits stehende Hof des Bauern Weinzierl von den Gepanzerten umzingelt.
Zehn der Kürassiere sperrten sämtliche Ausgänge; zwei folgten den beiden Räten in das Innere des umbauten Vierecks. Ein fünfzehn- oder sechzehnjähriges kurznackiges Mädchen versuchte ins Wohnhaus zu kommen, doch der Kriminalkommissar rief, schwer atmend: »Das muß die Hex' sein!«, und der vordere der Eisenreiter jagte ihr nach, ließ seinen Gaul mit dem Bug gegen den gedrungenen Körper prallen, sprang klirrend aus dem Sattel, riß die Gefangene wieder hoch, zwang ihr die Hände auf den Rücken und band sie mit einem groben Strick zusammen.
Aus dem Stall kam der alte Weinzierl, ein vierschrötiger Mann in der Mitte der Vierzig, eine Mistgabel in beiden Händen, die er quer vor den Leib hielt. »Hundsbande!« schrie er und wollte wütend auf den Soldaten los, der seine Tochter gefesselt hatte. »Jörg, Matthias, zu Hilf'!«
Doch die beiden Knechte griffen nicht ein, lugten nur vorsichtig vom Heuboden
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