Die Hexe soll brennen
gab es hier zu machen. Die Lebensmittel aus den gewissen Nächten waren längst aufgezehrt, ansonsten besaß die Taglöhnerfamilie nichts an irdischen Reichtümern. Das Kleintier im Stall war dem Kommissar und dem Regimentsrat zu gering.
»Anstecken!« befahl Scherer. »Bei dieser einzeln stehenden Hütte hat's damit keine Gefahr für die anderen.«
Die Ziege, zwei Ferkel wurden ins Freie gejagt, aus einem Nachbarhaus ein Feuerbrand geholt; der flog durch die Tür in die Strohlager, die den Grueberschen als Schlafstellen gedient hatten.
Als die ersten Flammen aus den Fenstern schlugen, stellte sich keuchend der Dorfpfarrer ein. Felß war sichtlich gealtert in den letzten paar Monaten. Auch er hatte von dem Schicksal gehört, das Katharina Grueber getroffen hatte. Von seinen Nasenflügeln zu den Mundwinkeln hatten sich scharfe Falten gebildet. Er hatte das Mädchen schützen wollen, und nun war er selbst der Betrogene: Sie war eine Hexe.
»Ihr brennt ab?« erkundigte er sich überflüssigerweise bei Anton von Edlmar.
»Das seht Ihr doch, Hochwürden«, entgegnete der Kommissar. »Am besten wäre es, die Gruebersche Teufelsbrut steckte noch drinnen. Wo sind die Leute hin, Hochwürden?«
»Wohl auf dem Feld, drüben auf den Eckhschen Gründen«, erwiderte Felß. Er deutete die Richtung an. Dann fügte er, seinem guten Herzen gehorchend, hinzu: »Aber nehmt Rücksicht. Sie haben auch die kleinen Kinder bei sich.«
»Die wird schon keiner fressen«, sagte Scherer lachend, saß auf und gab den Befehl zum Abreiten.
Nach Norden, der Donau zu, ritt der Trupp aus dem Dorf, wieder schleppte der letzte Soldat Christine Weinzierl am Halsstrick mit sich. Als die Reiter den Dorfrand erreicht hatten, schlug in der Kate schon das Feuer durch das Dach.
Johann und Gertrud Grueber, Balthasar, auch die kleineren Kinder, kamen bereits vom Feld gerannt. Sie hatten den Qualm über ihrer Hütte aufsteigen sehen. Da der Weg sich an der betreffenden Stelle krümmte, von Gestrüpp und Bäumen gesäumt war, prallten die Kürassiere förmlich in die siebenköpfige Familie hinein. Die vordersten Rösser bäumten sich, und um ein Haar wäre Scherer abgeworfen worden. Die Kinder begannen zu heulen, drängten sich gegen die Erwachsenen. Balthasar packte einen der Gäule am Zügel, versuchte ihn abzudrängen. Der Reiter – es war derjenige, der aus der Gegend stammte – rief: »Das sind sie!«
Rösser wurden aus dem Tumult gepeitscht, umzingelten das Grüppchen. Scherer und Edlmar brauchten diesmal keine Befehle zu geben. Die beiden Erwachsenen wurden gepackt, zu Boden geworfen und in Ketten gezwungen. Gertrud Grueber blutete nach einem Faustschlag aus Mund und Nase. Einer der Soldaten drehte Balthasar den Arm auf den Rücken. Um die Kleinen kümmerte sich niemand.
»Wegen Hexerei festgenommen!« rief der Herr von Edlmar auf nervös tänzelndem Pferd. »Johann Grueber. Gertrud Grueber. Ihr werdet nach Straubing gebracht. In die Fron …«
»Unser Haus!« Rauh hing der Schrei des alten Grueber in der milden Mailuft.
»Die Kinder!« Gellend, verzweifelt die Mutter.
»Gebt Ruhe!« brüllte Scherer sie an. »Die Kate brennt, weil sie verhext war. Um die Kinder wird sich schon wer annehmen. Der Große da« – er deutete mit der Reitpeitsche auf den gekrümmt im Griff des Soldaten hängenden Balthasar – »bringt die Brut zum Pfarrer. Der wird schon weiterwissen.«
»Nein!« Voll kreatürlicher Qual der Schrei der alten Grueberin. »Meine Kinder!«
»Halt's Maul!« herrschte der von Edlmar sie an. »Die Stricke – und abreiten!«
Schlingen flogen um die Hälse von Gertrud und Johann Grueber. Wiederum wurden die Enden an Steigbügeln befestigt. Die Reiter zogen davon, schleppten ihre lebendige Beute hinter sich her: drei Menschen jetzt, die taumelnd und stolpernd ihre Hälse zu retten versuchten. Die Grueberin hatte trotz allem den Kopf gedreht, wollte den flackernden Blick nicht von ihren Kindern wenden. Die standen da wie eine verlassene Herde, mitten unter ihnen mit ohnmächtig geballten Fäusten Balthasar. Als der Trupp gleich die Richtung zurück nach Pfatter nahm, querfeldein, ohne noch einmal das Dorf selbst zu berühren, wurden die Kinder in den Augen der Mutter rasch kleiner: ein verlorenes Häuflein, wie verflogene Krähen im Ried der Donaumarsch.
***
In jener Nacht lagen vier Kinder und ein Halbwüchsiger auf Stroh in der Diele des Geislinger Pfarrhofes. Brot und Milch aus der Speisekammer des Felß hatten sie
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