Die Hexe soll brennen
Teufel nicht zur Ruh' kommt in ihnen?«
»Ja, Peitschen her«, stimmte ihm der Herr von Edlmar zu, lüftete die schwere Perücke und kratzte sich ungeniert den Schädel. »Und dann zur Kaue! Wir wollen sie tanzen lassen, die satanische Saubrut!« Er sprang taumelnd auf die Beine.
Anne warf ihrem Gatten einen flehenden Blick zu. »Mach' ein Ende«, flüsterte sie entsetzt.
»Ich denke, die Herren sollten jetzt ihre Kammern aufsuchen«, sagte der Pfleger und bemühte sich, Nachdruck in seine Stimme zu legen, aber es gelang ihm schlecht.
»Was da? Kammer? Wir haben Besseres vor!« schrie Scherer. »Kommt mit, Pfleger, Pflegerin! Dann sollt Ihr sehen, wie man die Teufel austreibt!«
Die Angesprochenen weigerten sich, konnten aber nicht verhindern, daß der Regimentsrat und der Kommissar hinaustaumelten, fluchend, Weinflaschen in den Fäusten.
Scherer und Edlmar platzten in das Gelage ihrer Soldaten, ließen sich Knuten geben und stolperten dann beide über den Schloßhof zur Hexenkaue. Aber sie waren zu betrunken, und die frische Luft gab ihnen den Rest. Es gelang ihnen nicht mehr, den Außenriegel an der Kauentür abzuheben. Eine Zeitlang mühten sie sich, dann gaben sie es auf, hockten sich auf den Erdboden und tranken weiter, bis sie besinnungslos umfielen.
Der Pfleger und seine Frau mußten sie zurück ins Schloß schleppen. »In denen sitzt der Teufel – nicht in den Gefangenen«, sagte Anne zuletzt, als endlich Ruhe war. Aber ihr Mann antwortete nicht und schwieg – wie schon einen ganzen Monat lang.
Die Fronfeste
Juni 1689
»Ob er ihr nit an der Stürrn umbgangen , und sich erzaigt , alß ob er ihr waß wollte außkhratzen ?«
(Kelheimer Hexenhammer)
Die Straubinger Fronfeste lag hart am Ufer der Donau; der Strom schützte ihre nördliche Flanke. In dem Gemäuer, das anderes, mittelalterliches, verbarg, war die Bernauerin {*} gefangen gewesen, ein paar Stunden nur, ehe man sie in der Donau ersäuft hatte wie eine Katze. Jetzt diente der alte Herzogskasten immer noch als Gefängnis. Statt der Agnes Bernauer beherbergte er aber nun – unterhalb der Verwaltungstrakte, tief im steinernen Gekröse – Hexen.
Diese Kerker waren feucht und schimmelig. Sie lagen tief unter der Wassermarke des Stroms. Granit aus dem Bayerischen Wald und Kalkstein aus der Oberpfalz mischten sich unterirdisch zum trostlosen, unüberwindlichen Gefüge. Asseln wuselten in den Gesteinsritzen und im Stroh, im schwarzen Grundschlamm der Kerker nisteten rotäugige Ratten. Die ewige Feuchtigkeit hatte das Eisen der Ketten und Handschellen verrosten lassen, so waren schon nach wenigen Stunden die Gelenke der vier Gefangenen wundgerieben.
Scherer und Edlmar hatten ihre menschlichen Beutestücke getrennt einkerkern lassen. In dem einen Verlies hingen Gertrud und Johann Grueber angekettet, in einem zweiten, auf der gegenüberliegenden Seite eines schmalen Ganges, schmachteten Katharina und Christine Weinzierl. Die Einrichtung beider Kerker bestand lediglich aus ein paar Bündeln Stroh auf dem nackten Boden, dazu pro Person einer groben Schüssel aus gebranntem Ton, in die vom Wärter einmal am Tag Suppe, einmal Wasser geschöpft wurde. Löffel dazu gab es nicht. Das Brot, das man ihnen reichte, zerrissen die Angeketteten mit den Zähnen. Schlimmer als der Hunger war der Durst. Das dargereichte Wasser reichte lediglich aus, um die Gefangenen am Leben zu erhalten. Wenn die Qual zu groß wurde, leckten sie die faulige Feuchtigkeit von den Kerkerwänden.
Mehrere Tage blieben die drei Grueberschen und die Tochter des Bauern Weinzierl sich selbst überlassen. Man schien sie in ihren Löchern vergessen zu haben. Wenn sie einmal aus ihrer fast permanenten Betäubung erwachten – denn mit dauernd wachen Sinnen hätten sie hier unten gar nicht überleben können –, kämpften sie auf ihre Weise gegen die Eintönigkeit und die Angst an. Johann und Gertrud Grueber stritten dann und gingen, wie damals in jener Nacht zu Pfatter, trotz ihrer Ketten aufeinander los. Sie gaben sich gegenseitig die Schuld für das Unglück, das sie in dieses Verlies getrieben hatte. Haß und Abneigung, die sich im Alltag einer langen Ehe angestaut hatten, brachen jetzt ungehemmt durch. Einmal schlug der alte Grueber, nachdem sie sich stundenlang angefaucht hatten, seinem Weib die Wasserschüssel aus den Händen. Daß Gertrud danach stundenlang vor Qual wimmerte, ließ ihn freudig vor sich hin kichern. In der anderen Steinkammer flüchtete sich Christine
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